Vorkenntnisse und Vorerfahrungen

In Bezug auf die Vorkenntnisse und das Vorwissen im arithmetischen Bereich gibt es bereits verschiedene Untersuchungen die zeigen, dass Kinder zu Schulbeginn in der Regel über mehr Wissen und über größere Kompetenzen verfügen, als im Allgemeinen erwartet wird.

Doch gilt das auch für den Umgang mit und das Wissen über Geld?

Über welche Vorkenntnisse, über welche Erfahrungen im Umgang mit Geld verfügen Kinder, wenn sie in die Schule kommen?

Generell wird davon ausgegangen, dass die Kinder bereits im Kindergartenalter dem Thema Geld in unterschiedlichen Zusammenhängen begegnen. Da Kinder beispielsweise bereits früh gemeinsam mit ihren Eltern einkaufen gehen, werden Kenntnisse in Bezug auf die Preise von Waren oder den Ablauf von Bezahlvorgängen vorausgesetzt.

Demgegenüber stellen Grassmann et al. (2005; 2006; 2008) im Rahmen einer Untersuchung zu der Frage, was bzw. wie viel Kinder zu Schulbeginn über die Größe Geld wissen, heraus, dass das Wissen um unser Geld und die Fähigkeiten im Umgang mit Geld im Allgemeinen "nicht so stark entwickelt [sind] wie wir es bei arithmetischen Inhalten bisher feststellen konnten" (Grassmann et al.  2005, S. 55).

Zugleich zeigt sich aber auch eine große Heterogenität in Bezug auf das Wissen und die Fähigkeiten der Kinder (vgl. Thiel, 2008; Grassmann etl al., 2008).

Folgerungen für die Beschäftigung mit dem Größenbereich im MU

Doch wie können diese Untersuchungsergebnisse gedeutet werden? Welche Erklärungsmöglichkeiten lassen sich finden und welche Folgerungen ergeben sich für die Beschäftigung mit dem Größenbereich Geldwerte im Mathematikunterricht?

Betrachtet man zunächst einmal die Erfahrungen und das Wissen über Geld, das Kinder heute beim Einkaufen erwerben, dann wird schnell deutlich, dass diese Erfahrungen nur bedingt den Erwartungen entsprechen.

Entgegen den allgemeinen Annahmen gehen Kinder heutzutage vor Schulbeginn bzw. mit Beginn der Schulzeit nur selten alleine einkaufen – in der Regel werden sie von einem Erwachsenen begleitet. Das hat verschiedene Gründe. So gehen beispielsweise Kindern in Städten oft aufgrund der unübersichtlichen Verkehrssituation noch nicht alleine einkaufen. In ländlichen Gebieten fehlen demgegenüber häufig die Gelegenheiten, wenn die nächstgelegenen Geschäfte nicht zu Fuß erreichbar sind.

Hinzu kommt, dass der bargeldlose Zahlungsverkehr zunimmt und Bezahlvorgänge heute häufig mit einer EC-Karte erfolgen. Das Übergeben von Geld, die Rückgabe von Geld oder die Kontrolle am Ende eines Bezahlvorganges wird zumeist von den Erwachsenen ausgeführt (vgl. Franke & Kurz, 2003).

Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass eine detaillierte Erhebung der Vorkenntnisse und der Vorerfahrungen der Kinder vor der Einführung in den Größenbereich Geld zwingend notwendig ist, um die Gestaltung des Unterrichts entsprechend anpassen zu können. Fehlende Erfahrungen im Umgang mit Geld müssen bei der Unterrichtsplanung berücksichtigt werden.

Neben dem direkten Einfluss auf den Erwerb von Kompetenzen im Umgang mit Geld haben vorschulische Erfahrungen mit Geld auch einen Einfluss auf die allgemeine Entwicklung arithmetischer Kompetenzen.
Thiel (2008) stellt als Ergebnis einer von ihm durchgeführten Untersuchung heraus, "dass sich mathematische Inhaltsbereiche nicht strikt trennen lassen. Einem Kind mit Schwierigkeiten in der Arithmetik fällt auch das Rechnen mit Geld schwer. Aber es gilt auch das umgekehrte: Kindern, die schon frühzeitig Alltagserfahrungen mit Geld machen konnten, fällt oft auch das Rechnen allgemein leichter“.

Allerdings zeigen die Untersuchungsergebnisse auch, dass nicht nur die vorschulischen, sondern auch die außerschulischen Erfahrungen, d.h. die Alltagserfahrungen, die Kinder außerhalb des Unterrichts in ihrer Freizeit machen, den unterrichtlichen Lernzuwachs beeinflussen.

Stellt sich bei der Erhebung der Vorkenntnisse und Vorerfahrungen heraus, dass Kinder vor der Einschulung nur wenige Erfahrungen im Umgang mit Geld sammeln konnten, dann muss dieses bei der Planung des Unterrichts unbedingt berücksichtigt werden.

Wichtig ist es in der Folge zum einen, das Gespräch mit den Eltern zu suchen und den Blick auf mögliche Gelegenheiten  im Alltag zu richten, in denen Kindern eigenständige Erfahrungen im Umgang mit Geld machen können. Zum anderen ist es wichtig, den Kindern im Rahmen der schulischen Gegebenheiten vielfältige alltagsnahe Erfahrungen zu ermöglichen (vgl. Thiel, 2008).

Alltagsnahe Erfahrungen ermöglichen

Durch alltagsnahe Erfahrungen im Rahmen schulischer Projekte können Kinder gezielt unterstützt und gefördert werden. Alltagsnahe Erfahrungen machen Kinder beispielsweise, wenn sie einkaufen gehen für das Schulfrühstück oder das Klassenfest, wenn sie für einen Kuchen, der gebacken werden soll, die Zutaten besorgen, wenn sie für das Einsammeln des Kakaogeldes zuständig sind oder einen Klassenflohmarkt organisieren.

Eine weitere Möglichkeit, im Unterricht eine Einkaufssituation zu realisieren, bei der die Kinder nicht nur fiktive, sondern echte Waren einkaufen können, bietet der Klassenladen.

Ausführliche Informationen hierzu sowie Anregungen und Tipps zur Einführung und zur Arbeit mit einem Klassen-Kaufladen finden Sie unter Unterricht: Pausenkiosk.

Auf der Basis von alltagsnahen Erfahrungen im Umgang mit Geld kann dann im Unterricht mit den Kindern über die verschiedensten Fragen nachgedacht werden:

"Wozu wird überhaupt Geld benötigt?"

"Warum sind manche Gegenstände billig und manche teuer?"

"Warum verändern sich die Preise von Waren?"

"Was heißt sparen und wie kann man sparen?"

"Warum bekommt man Taschengeld?"