Umwelteinflüsse prägen den Menschen. Frühe Erfahrungen zeitigen besonders nachhaltige Wirkung, denn sie prägen den Blick eines Kindes auf sich selbst und sein Erleben der Welt. Sie beeinflussen maßgeblich die Erwartungen eines Kindes an sich selbst und an seine soziale und dingliche Umwelt, insbesondere seine Erwartungen an die Wirksamkeit eigener Anstrengungen und Bemühungen. Die familiäre Umwelt eines Kindes und deren soziale Lage haben erheblichen Einfluss darauf, wie es sich sozial, emotional und kognitiv entwickelt und ob es bereit ist, sich anzustrengen und aktiv zu lernen (Stern, 2003).

Kinder mit Lernschwierigkeiten kommen in der großen Mehrzahl aus sozial schwachen, benachteiligten, nicht selten geradezu randständigen Familien. Mehr als 80 Prozent der Schülerinnen und Schüler mit Förderbedarf wachsen in Familien auf, die nur vergleichsweise ungünstige emotionale und soziale Entwicklungsbedingungen bieten können. Typische Belastungen sind (Ellinger, 2013, S. 58f.)
  • Familien mit nur einem Elternteil, in denen die Betreuung und Erziehung der Kinder nicht immer gewährleitet werden kann
  • Geringe finanzielle Einkünfte durch Arbeitslosigkeit, niedrige berufliche Position der Eltern oder Angewiesensein auf Transferleistungen, damit verbunden materielle Armut und ein Gefühl der Minderwertigkeit
  • Beengte und schlecht ausgestattete Wohnungen, häufig Schlichtwohnungen in bekannten Stadtgebieten (sog. Soziale Brennpunkte), fast immer sozial selektive Nachbarschaft, viele Personen mit für die Unterschicht typischen Lebensgewohnheiten und Verhaltensweisen
  • Restringierte Sprachmuster, die im Hinblick auf Wortwahl und Syntax der Hochsprache defizitär sind
  • Desinteresse an schulischer Bildung, oft sogar generell feindselige Haltung gegen alle staatlichen Institutionen
Dennoch reicht die soziale Herkunft nicht aus, um schulisches Lernversagen zu erklären, denn es gibt viele Kinder aus sozial benachteiligten Familien, die in der Schule relativ erfolgreich lernen – es kommt auf die konkrete Familie und auf das einzelne Kind an und darauf, wie die Schule auf das Kind und seine Familie reagiert.

Ob aus dem Risiko ungünstiger Lebensumstände schulisches Versagen wird, entscheidet sich im Unterricht.

Reagiert die Lehrerin als Angehörige der gebildeten Mittelschicht mit Unverständnis oder gar mit Ablehnung auf bestimmte Merkmale des sprachlichen oder sozialen Verhalten, oder reagiert sie einfühlsam und verständnisvoll? Verstärkt die Schule bestehende Defizite oder versucht sie, typische Defizite durch geeignete Angebote auszugleichen? Die Lehrkraft kann familiäre Defizite zwar nicht ausgleichen, denn sie nimmt kaum Einfluss auf die Familie, aber guter Mathematikunterricht kann benachteiligten Kindern helfen, trotz typischer Startschwierigkeiten und trotz wenig förderlicher Lebensumstände erfolgreich zu lernen.
 
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