Was ist das Zehnereinmaleins?

Um die Inhalte in der Sekundarstufe verständnisorientiert durchdringen zu können, bilden arithmetische Basiskompetenzen eine notwendige Grundlage. Inhalte, wie das Zehnereinmaleins, können behandelt werden, um grundlegende Basiskompetenzen wie z. B. ein Operations- oder Stellenwertverständnis in der Sekundarstufe I aufzuarbeiten und somit eine Basis für das weitere Lernen zu schaffen.

Das Zehnereinmaleins lernen Kinder bereits ab der dritten Klasse (aufbauend auf den Kenntnissen des kleinen Einmaleins) kennen. Als Erweiterung zum kleinen Einmaleins wird der Multiplikand in Multiplikationsaufgaben verzehnfacht, wie z. B. bei 2 · 50 oder 7 · 80.

Das Zehnereinmaleins unterscheidet sich insofern vom Stelleneinmaleins, als dass lediglich ein Faktor verzehnfacht (bzw. verhundertfacht, vertausendfacht, etc.) wird.

Beim Stelleneinmaleins können im Gegensatz zum Zehnereinmaleins sowohl der Multiplikand als auch der Multiplikator – oder beide Faktoren gleichzeitig – verzehnfacht (verhundertfacht etc.) werden (z. B. 20 · 50, 20 · 5, 2000 · 50). Somit bildet das Zehnereinmaleins in Form spezifischer Aufgaben des Stelleneinmaleins eine Grundlage für weiterführende Aufgaben im Stelleneinmaleins sowie für das Rechnen mit Stufenzahlen (Potenzen mit der Basis zehn und einem ganzzahligen Exponenten, s. u.). Zudem können Aufgaben des Stelleneinmaleins durch die Kommutativität in Aufgaben des Zehnereinmaleins umgewandelt werden (z. B. 50 · 2 → 2 · 50).

Wie können Zusammenhänge zwischen Aufgaben des kleinen Einmaleins und des Zehnereinmaleins verständlich gemacht werden?

Grundsätzlich ist ein Verständnis über Aufgaben des kleinen Einmaleins Grundlage für ein Verständnis der Multiplikation mit größeren Zahlen und somit auch für die Aufgaben des Zehnereinmaleins. Bereits bekannte Erkenntnisse und flexible Rechenstrategien des kleinen Einmaleins lassen sich auf höhere Zahlenräume übertragen, indem Aufgaben des Zehnereinmaleins mithilfe der Kenntnisse aus dem kleinen Einmaleins berechnet werden (Wittmann, 2024, S. 58).

Warum diese Übertragung durch die Auseinandersetzung mit dem Zehnereinmaleins möglich ist, soll an der folgenden Darstellung deutlich gemacht werden.  

Abbildung 3: Der Zusammenhang zwischen 4 · 2 und 4 · 20 bzw. 4 · 2E und 4 · 2Z

Jeder Einer wird verzehnfacht, sodass vier mal zwei Einer in vier mal zwei Zehner verändert werden. Es wird deutlich, dass aus vier Zweiern vier Zwanziger werden. Verallgemeinert wird also über das Assoziativgesetz mit Zehnern gerechnet wie mit Einern [4 · 20 = 4 · (2 · 10) = (4 · 2) · 10]. Um den Zusammenhang zu verstehen, ist eine sprachliche Vernetzung der beiden Darstellungen mit Blick auf die Zusammenhänge der Stellenwerte zentral. Dabei hat sich in Studien (z.B. Götze & Baiker, 2021; 2023) als lernwirksam erwiesen, wenn die Bedeutung der Multiplikation als Vervielfachung gleich großer Gruppen explizit wird, indem z.B. „vier mal zwei“ als „vier Zweier“ oder „vier mal 20“ als „4 Zwanziger“ versprachlicht wird. So kann der Zusammenhang der beiden Aufgaben auch sprachlich begleitet werden: „Jeder Zweier wird verzehnfacht und somit wird aus jedem Zweier wird ein Zwanziger. Aus 4 Zweiern werden also 4 Zwanziger. Das Ergebnis wird verzehnfacht.“.

In einem zweiten Beispiel in Abbildung 4 werden die Aufgaben 2 · 8 und 2 · 80 visualisiert. Auch hier wird der Zusammenhang deutlich, indem die zwei Achter jeweils verzehnfacht werden und somit zwei Achtziger entstehen [2 · 80 = 2 · (8 · 10) = (2 · 8) · 10]. Das Ergebnis wird verzehnfacht.

Abbildung 4: Der Zusammenhang zwischen 2 · 8 und 2 · 80 bzw. 2 · 8E und 2 · 8Z

Die strukturierte Arbeit mit dem Zehnereinmaleins fördert den Ausbau der Einsichten über das dezimale Stellenwertsystem. Hierzu gehört insbesondere das Wissen um das fortgesetzte Bündeln zur nächsthöheren Einheit (Moser Opitz, 2007; Wartha & Schulz, 2014) und die Bedeutung der Stellenwerte (Padberg & Benz, 2011; Sprenger, 2018; s. auch Mathe inklusiv: Dezimalsystem).

Beim Zehnereinmaleins wird zugleich deutlich, dass der Schritt von einem Stellenwert zum nächsthöheren Stellenwert das Verzehnfachen des kleineren Stellenwerts darstellt. So besteht die Zahl 354 nicht allein aus den Ziffern 3, 5 und 4, sondern aus 3 Hundertern (3 · 100 = 3 · 10 · 10), 5 Zehnern (5 · 10) und 4 Einern.

Die Basiskompetenzen des Operations- und Stellenwertverständnis werden hier besonders in der Darstellungsvernetzung sowie der Nutzung von Aufgabenbeziehungen und Strukturen deutlich (Götze & Selter, 2024), wodurch sich Grundvorstellungen bei den Lernenden aufbauen können.

 

Welche Rolle spielen Aufgabenbeziehungen und das Ergebnis für das Verständnis?

Bei einer ersten Auseinandersetzung mit Aufgaben des Zehnereinmaleins bietet es sich zur Förderung der Basiskompetenzen zur Operations- und Stellenwertvorstellung an, den Fokus vom Ausrechnen auf die Beziehungen zwischen den Aufgaben zu lenken. Vielen Kinder wird zunächst auf der Ebene der Ziffern auffallen, dass Nullen den Unterschied zwischen dem kleinen Einmaleins und dem Zehnereinmalseins ausmachen. Bleibt es bei der Wahrnehmung der Nullen besteht die Gefahr, dass das „Rechnen mit Zehnern wie mit Einern“ auf ein Rechnen mit dem Nullentrick reduziert wird, welcher das ledigliche Anhängen von Nullen meint. Fehler wie 1,54 · 10 = 1,540 (statt 15,4) liegen nun nicht mehr fern. Außerdem kann dieses Vorgehen bei weiteren Multiplikations- und Divisionsaufgaben fehleranfällig sein, indem entweder eine nicht passende Anzahl an Nullen angehängt oder weggestrichen werden oder Nullen an falschen Stellenwerten gestrichen bzw. notiert werden.

Im Projekt Mathe sicher können wurde eine Vielzahl an typischen Fehlern und deren Ursachen beim Multiplizieren und Dividieren mit Stufenzahlen in Diagnoseaufgaben identifiziert. Das Wegstreichen und Anhängen von Nullen kann durch Übergeneralisierungen fehleranfällig werden, was stark für eine verständnisbasierte Erarbeitung spricht. Beispielsweise deutet die Antwort 3600 als Ergebnis der Aufgabe 360 : 10 auf eine übergeneralisierte Strategie des Nullenanhängens der Multiplikation hin. Bei der Aufgabe 30630 : 10 = 363 (statt 3063) kann das falsche Ergebnis auf eine unverstandene Automatisierung der Regel „Nullen wegstreichen“ hinweisen, die hier auf die Tausenderstelle angewendet wurde (siehe Mathe sicher können: Zahlenrechnen: Baustein N6A: „Ich kann sicher mit Stufenzahlen multiplizieren und dividieren“, Akinwumni et al., 2014).

 

Ohne auf Vorstellungen und Einsichten über die zugrunde liegenden Stellenwertbeziehungen und ohne auf die Bedeutung der Rechenoperation der Multiplikation einzugehen, wird nicht erkannt, dass eine Verzehnfachung des Multiplikanden dazu führt, dass das Produkt um einen Stellenwert nach links verschoben und der kleinere Stellenwert unbesetzt wird. Hierfür wird eine Null gesetzt. Bleibt es also beim unverstandenen Nullentrick wird lediglich auf der Ebene der Ziffern mit derselben manipuliert (siehe Beispiele aus vorherigem Absatz). „Solch eine eher bedeutungslos verinnerlichte Regel kann Schülerinnen und Schüler […] in Verwirrung bringen, wenn das Ergebnis der ursprünglichen Einmaleinsaufgabe schon eine Endnull aufweist“ (Scherer & Moser Opitz, 2010, S. 120). Für das Verständnis ist es unabdingbar zu erkennen, worauf das „Nullen anhängen“ beruht (Wittmann, 2024).

Hierzu können die Produkte mit Blick auf die strukturellen Zusammenhänge gedeutet werden. Dazu soll eine Darstellung in der Stellenwerttafel betrachtet werden (siehe Abb. 5). In der Stellenwerttafel wird das Produkt von 4 · 2 dargestellt: Es liegen 4 Zweier in der Einerspalte. Sollen nun die vier Zweier verzehnfacht werden, so verschiebt sich die Darstellung in die Zehnerspalte. Jeder Zweier wird verzehnfach und somit wird aus jedem Zweier ein Zwanziger. Aus 4 Zweiern werden also 4 Zwanziger bzw. 8 Zehner.

Abbildung 5: Veranschaulichung der Verzehnfachung in der Stellenwerttafel

Kontinuierlich Basiskompetenzen sichern: Multiplizieren mit Zehner(-zahle)n

Die folgende Abbildung (Abb. 6) verdeutlicht, wie das Thema Multiplikation im Zehnereinmaleins spiralförmig in das kontinuierliche Mathematiklernen der Primarstufe und Sekundarstufe eingebettet ist und darauf aufbauend weitergeführt wird. Damit sollen vorrangig Basiskompetenzen des Operations- und Stellenwertverständnisses (s. o.) gefördert werden, indem Grundvorstellungen aufgebaut, Darstellungen vernetzt und Aufgabenbeziehungen bzw. Strukturen genutzt werden (Götze & Selter, 2024).

Um einen groben Überblick zu gewinnen, sind die zugehörigen Inhalte aus den Lehrplänen (MSB NRW 2021; MSB NRW, 2022) den Klassenstufen zugeordnet und mit Aufgabenbeispielen, welche nicht den Anspruch auf Vollständigkeit haben, versehen.

Abbildung 6: Kontinuierlich Basiskompetenzen sichern: Multiplikation mit Zehner(-zahle)n

Bereits in der Schuleingangsphase spielen (An-)Zahlen und Aufgaben mit 10, u. a. in der Anzahlerfassung, eine zentrale Rolle. Die Multiplikation mit Zehnern findet in Klassenstufe 2 erste Anwendungen, wenn Kinder im kleinen Einmaleins mit zehn multiplizieren. Diese Aufgaben sind „einfach“, da sie auf die Multiplikation mit 1 zurückgeführt werden können. Aus jedem Einer wird ein Zehner (z.B. 4 · 1 und 4 · 10). In den Klassenstufen 3 und 4 wird darauf aufbauend mit Vielfachen von 10 in höheren Zahlenräumen multipliziert; u. a. durch das Zehnereinmaleins und die Multiplikation mit weiteren Stufenzahlen (MSB NRW, 2021).

In der Sekundarstufe I folgt dann das Multiplizieren mit Vielfachen von 10 im Rahmen der Zahlbereichserweiterung (Ausweitung ganze, rationale sowie reelle Zahlen). Insbesondere das Multiplizieren und Dividieren von Dezimalzahlen mit Stufenzahlen, wie 10, 100, etc. stellt ein zentrales Thema der Sekundarstufe I dar und findet in zahlreichen Sachkontexten Anwendung. In den Klassenstufen 9 und 10 können bei der Thematisierung von Potenzen mit Rückblick auf Stufenzahlen zentrale Basiskompetenzen, wie Operations- und Stellenwertvorstellungen aufgegriffen werden (MSB NRW, 2022). Beispielhaft können also Kenntnisse aus dem kleinen Einmaleins später auch für höhere Zahlenräume und weitere Stufenzahlengenutzt werden. Dies ist möglich, da „bei einer Einmaleinsaufgabe offenbleibt, auf welche Einheit sich der zweite Faktor bezieht. Analog zu 7 · 8 m = 56 m, 7 · 8 t = 56 t, 7 · 8 € = 56 € kann man 7 · 8 Z = 56 Z, 7 · 8 H = 56 H, 7 · 8 T = 56 T, 7 · 8 ZT = 56 ZT rechnen“ (Wittmann, 2024, S. 58).

Die Abbildung bietet einen Überblick über die Anschlussfähigkeit der Multiplikation im Zehnereinmaleins und unterstreicht dessen Bedeutung im Mathematikunterricht. Um diese Inhalte verständnisorientiert zu durchdringen, bilden Basiskompetenzen eine notwendige Grundlage. Daher erscheint es sinnvoll, diese Inhalte auch in der Sekundarstufe I erneut aufzugreifen, obwohl sie nicht explizit zum Lehrstoff der Sekundarstufe I gehören.