Sobald eine Lehrkraft beschließt, ein Testverfahren für diagnostische Zwecke einzusetzen, steht sie vor einem vielfältigen Angebot an Diagnoseinstrumenten, weshalb die Auswahl für ein geeignetes Verfahren nicht immer leicht fällt. Hilfreich bei der Entscheidungsfindung ist, die wichtigsten Kriterien und Ziele in den Fokus zu nehmen, welche leitend bei der Bestimmung eines geeigneten Testverfahrens sein können.

Grundlegend kann gemäß der pädagogischen Zielsetzung unterschieden werden:
 

Geht es primär um einen Leistungsvergleich oder um Förderdiagnostik?

Ist das Ziel also eher der Vergleich individueller Leistungen in Bezug zu einer Vergleichsgruppe oder sollen individuelle Lernstände und damit die „Voraussetzungen zum Erwerb neuen Wissens und Handelns“ (Bundschuh & Winkler, 2014, S. 348) ermittelt werden? Nach Scherer & Moser Opitz (2010) werden beide Zielsetzungen im schulischen Alltag häufig kombiniert, dennoch kann eine bewusste Schwerpunktsetzung im Vorfeld der Auswahl eine Richtung geben.

Die Ausrichtung entsprechender Testverfahren ist im ersten Fall  verstärkt produktorientiert, das heißt konzentriert auf die Anzahl adäquat gelöster Aufgaben:
Schwerpunkt Leistungsvergleich!

Im zweiten Fall findet hingegen eine vermehrt prozessorientierte Diagnostik statt, welche den Schwerpunkt auf Denkprozesse und Lösungswege legt:
Schwerpunkt Förderdiagnostik!

Neben dieser primären Fragestellung gibt es weitere Kriterien, die bei der Auswahl berücksichtigt werden sollten (in Anlehnung an Rottmann, Streit - Lehmann & Fricke, 2015):
  • Grad der Standardisierung und Normierung: Besteht eine feste Vorgabe von Aufgaben, Fragen und möglichen Antworten? Sind Adaptionen an die jeweiligen Lernvoraussetzungen möglich? Welche Vergleichsgruppe wird herangezogen?
  • Themenbereiche: Welche arithmetischen Inhalte sind Gegenstand der Testung? Werden auch andere Bereiche angesprochen, zum Beispiel geometrische Inhalte oder prozessbezogene Kompetenzen?
  • Altersstufe: Für welche Altersstufe ist das Diagnoseinstrument vorgesehen? Bestehen hierfür feste Vorgaben? Existieren Erweiterungen für andere Altersstufen? Sind auch hier Adaptionen möglich?
  • Dauer: Wie viel Zeit wird für die Durchführung benötigt? Ist eine durchgehende Bearbeitung vorgesehen oder dürfen Pausen und Unterbrechungen in Anpassung an die individuelle Konzentrationsspanne erfolgen? Lassen sich ggf. nur Ausschnitte verwenden?
  • Durchführung: Ist das Testverfahren für die Einzelsituation und / oder eine Gruppe vorgesehen? Wie sieht die Durchführung aus (Interview, Papier – Bleistift - Verfahren, Computerunterstützung)? Stimmen dabei Aufwand und Nutzen überein?
  • Auswertung: Wie erfolgt die Auswertung? Welche konkreten Aussagen erhält die Lehrkraft?
  • Materialeinsatz: Welche Materialien werden benötigt? Kann auf Vorhandenes zurückgegriffen werden oder liegen sie gegebenenfalls dem Testinstrument bei?
  • Sprachliche Anforderungen: Benötigt das Kind ein bestimmtes Fachvokabular, das geklärt sein muss? Kommt das Diagnoseinstrument eventuell ohne Sprache aus?

Im inklusiven Mathematikunterricht spielt der innere Zusammenhang von Diagnose und Förderung eine zentrale Rolle. Wartha und Schulz (2014, S. 21) weisen darauf hin, dass Diagnose eine sichere Grundlage für die Fördersituation bilden soll und daher „ein Zusammenspiel von defizitorientierter Sichtweise zur Identifikation von Förderschwerpunkten und kompetenzorientierter Perspektive zur Ermittlung des Lernstandes und der Anknüpfungspunkte von Förderung bzw. Unterricht“ anzustreben ist.

Die Ermittlung von individuellen Lernständen im Sinne einer „handlungsleitenden Diagnostik“ wird genau dann unterstützend für Förderung und Unterricht, wenn sie konkrete Förderhinweise bietet, welche auf der vorausgegangenen Diagnose aufbauen (vgl. Peter - Koop, 2015).

Als ein Beispiel hierfür wird der Bielefelder Rechentest für das zweite Schuljahr (Schipper, Wartha & von Schroeders, 2013) unter „Unterricht“ in Auszügen vorgestellt. 


Allgemeine Kennzeichen förderdiagnostischer Tests

  • Entwicklungsorientierung: Konstruktion des Inventars auf der Basis von Entwicklungsmodellen mit Blick auf verschiedene Förderbereiche
  • oder curricular – sachstrukturelle Orientierung: Konstruktion des Inventars auf dem sachlogischen Aufbau eines Lernbereichs
  • und Kompetenzorientierung: Beantwortung der Frage, welche Kompetenzen ein Lernender in verschiedenen (Förder-) Bereichen hat, um darauf aufbauend eine Ergänzung und Erweiterung derselben planen zu können
  • (in Anlehnung an Heimlich, Lutz & de Icaza, 2014)

Weiterführende Hinweise zu Übersichten über förderdiagnostische Tests finden Sie unter „Material“.