Im Mathematikunterricht kommt es immer wieder zu Momenten, in denen man mehr über die individuellen Vorerfahrungen der Schülerinnen und Schüler erfahren möchte:
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Welche Vorstellungen haben sie zu einem bestimmten Inhalt? Welche Fehlvorstellungen bestehen?
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Was wissen sie? Welche Wissenslücken bestehen?
Besonders deutlich wird dies in Momenten des Übergangs, also z.B. zu Beginn eines neuen Schuljahres, zum Start in ein neues Thema oder beim Wechsel in eine weiterführende Schule oder andere Schulform.
Eine Möglichkeit, die Vorerfahrungen der Lernenden zu ermitteln, sind Standortbestimmungen. Die folgende Aufgabe stammt aus der Standortbestimmung "Multiplikation verstehen" des Partnerprojektes Mathe sicher können. Diese wurde zum Schuljahresbeginn in einer inklusiven 5. Klasse einer Hauptschule durchgeführt, um zu erkunden, welches Verständnis der Multiplikation die Kinder aus der Grundschule mitbringen. Hier wird nun zunächst eine Aufgabe exemplarisch gezeigt, im Unterrichtsteil dieses Teilmoduls werden alle Aufgaben, Schülerlösungen und Möglichkeiten zur Förderung aufgezeigt.
Schauen Sie sich die unterschiedlichen Lösungen an. Welche Erklärungen sind dafür möglich?
Insgesamt wird deutlich, dass die Lernenden unterschiedliche Vorerfahrungen zum Verständnis der Multiplikation aus der Grundschule mitbringen. Die Gründe hierfür können ebenso vielfältig sein, wie die Vorerfahrungen selbst. Ein grundlegendes Verständnis der Multiplikation, auch in Verbindung mit Darstellungswechseln, ist jedoch für ein erfolgreiches Weiterlernen in der Sekundarstufe unerlässlich (Prediger, Freesemann, Moser Opitz & Hußmann, 2013; Schulz & Wartha, 2021). Egal ob bei der Einführung von Brüchen, der Berechnung von Flächeninhalten und Volumen oder dem proportionalen Denken: Ohne ein gesichertes Verständnis der Multiplikation ist ein effektives, kontinuierliches Lernen in der Sekundarstufe nicht möglich und das Ausbleiben von Lernfortschritten wahrscheinlich.
Insofern ist es nicht nur zum Schuljahresbeginn wichtig, Vorerfahrungen der Lerngruppe zu ermitteln. Auch bei der Behandlung neuer Themen müssen solche „unverzichtbaren Verstehensgrundlagen“ (Prediger, Freesemann, Moser Opitz & Hußmann, 2013, S. 10) überprüft werden. Statt „kurzfristige Reparaturen“ (ebd.) im aktuellen Thema vorzunehmen, lohnt es sich, einen „Schritt zurück“ zu gehen, um Lücken in den Verstehensgrundlagen zu schließen und anschlussfähiges Wissen zu entwickeln.
Wie dies umgesetzt werden kann, indem Vorerfahrungen erhoben und treffsichere Förderentscheidungen abgeleitet werden, soll in diesem Teilmodul thematisiert werden.