In diesem Modul geht es um Kinder und Jugendliche, die zieldifferent im Bildungsgang des sonderpädagogischen Förderschwerpunkts Geistige Entwicklung unterrichtet werden. Die intellektuellen Einschränkungen können bei einzelnen Lernenden gravierend sein und sie wirken sich nicht nur im schulischen Unterricht aus, sondern auch außerhalb der Schule und über die Zeit der Schulpflicht hinaus.

Die Vielfalt der Lernenden im Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung ist groß, wie die folgenden drei Falldarstellungen ausschnitthaft zeigen.


Zeichnung eines Teenagers, der Plättchen in ein Zwanzigerfeld legt.

Mark ist 13 Jahre alt. Er besucht die 7. Klasse einer Förderschule mit Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung. Das Fach Mathematik macht ihm Freude, hier zeigt er Lernmotivation und Interesse am Lerngegenstand. Bei persönlicher Ansprache arbeitet Mark zügig, sorgfältig und aufmerksam, seine Konzentrationsspanne ist relativ kurz, so dass er häufigere Pausen und eine klare Strukturierung benötigt. 

Mark bewegt sich weitestgehend sicher im Zahlenraum bis 20 und rechnet einfache Additions- und Subtraktionsaufgaben mit der Unterstützung von Material. Laut Marks individuellem Förderplan sind seine Ziele der weitere Aufbau von tragfähigen Zahl- und Operationsvorstellungen.

Zeichnung eines Mädchens, die mit zwei roten und einem blauen Plättchen arbeitet.

 

Marie ist ein Mädchen von 9 Jahren, das hochgradig intellektuell beeinträchtigt ist. Sie besucht die 4. Klasse einer inklusiv arbeitenden Grundschule. Bei ihr bekannten Aufgabenstellungen kann Marie Mengen und Größenverhältnisse im Zahlenraum von 1-6 vergleichen, Mengen nach verschiedenen Merkmalen sortieren und verschiedene vorgegebene Reihen weiterführen. Die Zahlen 1-4 sind ihr bekannt, eine eindeutige Zuordnung von Zahlsymbolen und Mengen gelingt teilweise. 

Hilfreich ist konkretes Arbeitsmaterial, mit dem Marie sich ausdauernd und konzentriert beschäftigen kann. Bei der Erarbeitung von Aufgaben in der Gruppe braucht sie immer wieder direkte Ansprache, um am Thema mitzuarbeiten. In Maries individuellem Förderplan sind Ziele aus den Bereichen der Zählkompetenz und des Aufbaus von kardinalen und ordinalen Zahlvorstellungen ausgewiesen.

 

Zeichnung eines Jungen mit einem Stift in der Hand.

Felix ist 10 Jahre alt. Er besucht die 5. Klasse einer inklusiv arbeitenden Sekundarschule. Zuvor ging er in eine Förderschule mit dem Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung. Im Mathematikunterricht arbeitet er motiviert mit und bei regelmäßiger individueller Ansprache gelingt es ihm häufig, eine Aufgabe vollständig zu bearbeiten. Zum Verständnis der Aufgabenstellung und zur Orientierung während des Arbeitsprozesses helfen ihm Visualisierungen, wie das Darstellen von Handlungsabfolgen mit Hilfe von Symbolkarten. 

Felix kann sich im Zahlenraum bis 100 orientieren, Vorgänger und Nachfolger kann er benennen, größere und kleinere Zahlen kann er in die richtige Reihenfolge ordnen. Er kann Zahlen stellengerecht schreiben, allerdings bereitet ihm die Stifthaltung motorisch Schwierigkeiten. Das Schreiben strengt ihn folglich noch sehr an, dennoch sind seine Zahlen oft lesbar. Felix individuelles Förderziel im Fach Mathematik ist die weitere Entwicklung des Stellenwertverständnisses.


Den drei beschriebenen Kindern ist gemeinsam, dass sie Unterstützungsbedarf im Bereich der geistigen Entwicklung zeigen, aber darüber hinaus unterscheiden sie sich in vielfältiger Weise – es gibt nicht „das typische Kind“ und nicht „den typischen Unterstützungsbedarf“. Die benötigten Hilfen sind zwar vielfältig und individuell anzupassen, aber grundsätzlich gilt: Auch Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf im Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung profitieren von fachdidaktisch fundiertem Mathematikunterricht. 

Wenn der Mathematikunterricht nicht nur an fachlichen, sondern immer wieder auch an lebenspraktischen Fragestellungen anknüpft, hilft das allen Lernenden, sinnvolle Verbindungen zwischen den erlernten mathematischen Begriffen und Verfahren und dem alltäglichen Leben zu erkennen. Eine solche praktische Orientierung ist für junge Menschen mit intellektuellen Beeinträchtigungen besonders wichtig, wie die Hinweise zur Gestaltung geeigneter Lernumgebungen im folgenden Teilmodul Unterricht zeigen.