Nicht selten entwickeln Kinder bei derselben Aufgabe unterschiedliche Vorgehensweisen, die für sie einen potentiellen Rechenweg zur Lösung der Aufgabe eröffnen (vgl. KIRA: Arithmetik – Halbschriftliches Rechnen – Addition – Halbschriftliche Addition). Wird der individuelle Lösungsweg jedoch durch eine vorgegebene und verbindlich zu verwendende Herangehensweise eingeschränkt, überspringt man einen Teil des Problemlöseprozesses, was schlimmstenfalls dazu führen kann, einigen Kindern den Zugang zur Aufgabe zu erschweren.

Klein- und gleichschrittiger Unterricht, der den Kindern nahelegt, sich an methodische Vorschriften und festgelegte Vorgehensweisen zu halten, ist für sie häufig nicht lernförderlich. Er unterdrückt ihre eigenen Denkansätze und erschwert die Auseinandersetzung mit dem für sie ohnehin nicht einfachen Lernstoff. Diese Kinder sind demnach nicht „lernschwach“, sondern eher „belehrungsschwach“ im Hinblick auf die Anwendung bestimmter Rechenwege (vgl. Wittmann, 2001). Gerade deshalb ist es sinnvoll, an ihre Vorgehensweisen anzuknüpfen. In der praktischen Umsetzung ist es zudem wichtig, Aufgaben zu wählen, zu deren Lösung unterschiedliche Rechenwege auch tatsächlich sinnvoll sind.
Zudem hat das Ermöglichen verschiedener Vorgehensweisen nicht nur aus pädagogischer Sicht seine Vorteile.
 

Rechengesetze sind grundlegende Muster, die nicht starr sind, sondern einen weiten Spielraum lassen, den kreativ zu nutzen zum Wesen der Mathematik gehört. Wenn dieser Spielraum durch methodische Vorschriften eingeengt wird, von denen es in der traditionellen Didaktik geradezu wimmelt, wird die Mathematik verfälscht (Wittmann, 2003, S.33).

Nach Wittmann ist es demnach nicht das korrekte und unbedachte Nutzen einer vorgegebenen Lösungsstrategie, welches den Schülerinnen und Schülern dazu verhilft, das Wesen der Mathematik zu verstehen. Es ist vielmehr das selbstständige Nutzen und Finden unterschiedlicher Rechenwege, welches Kindern das Gewinnen von Einsichten in mathematische Strukturen und ein späteres „flexibles Rechnen“ ermöglicht.
Auf Grundlage ergiebiger Aufgaben können die Lernenden die Möglichkeit erhalten, unterschiedliche Vorgehensweisen zur Bearbeitung der Aufgabe im Hinblick auf individuelle Lernwege selbst auszuwählen, über deren Nutzen dann im Unterricht gesprochen werden kann.

Eine detaillierte praktische Umsetzungsmöglichkeit wird auf der Unterseite „Unterricht“ näher erläutert.