Beim sichernden Üben trainieren die Lernenden bewusst das Automatisieren von Aufgabenergebnissen und die Geläufigkeit von Anwendungen oder Lösungsprozessen.
Unabhängig davon, ob es sich beim sichernden Üben um
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das Automatisieren (Auswendiglernen) von Aufgabenergebnissen (z.B. kleines Einmaleins),
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die Geläufigkeit in der Anwendung von Rechenverfahren (z.B. schriftliche Subtraktion), oder
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die Geläufigkeit in der Anwendung von Werkzeugen (z.B. Lineal)
handelt, das Verständnis des jeweiligen mathematischen Inhalts bildet immer die Grundlage. Rechenergebnisse ohne Operationsvorstellungen oder Lösungsstrategien auswendig zu lernen oder halbschriftliche Strategien wie Algorithmen „blind“ durchzuführen, ist für den Lernprozess aller Kinder hinderlich - auch für Kinder mit Schwierigkeiten im Mathematiklernen (vgl. Häsel-Weide & Nührenbörger, 2017).
Dennoch müssen mathematische Kompetenzen nicht nur verständnisbasiert erworben, sondern auch kontinuierlich gesichert werden (vgl. Götze, Selter & Zannetin, 2019, 140).
Die verstehenserweiternden und Rechensicherheit erzeugenden Kopfrechenübungen, die für den Mathematikunterricht früher charakteristisch waren, sind aus unserer Sicht zu Unrecht etwas in Vergessenheit geraten (ebd., 141).
Das sichernde Üben benötigt deshalb im Lernprozess und im Unterrichtsgeschehen, genau wie andere Übungsphasen auch, einen festen Platz, in welchem Basiskompetenzen kontinuierlich trainiert werden. Die Anwendung derselben sollte regelmäßig, aber auch mit zeitlichem Abstand zueinander wiederholt werden, um die langfristige Sicherung zu ermöglichen. Die Möglichkeit, dabei immer wieder auf frühere, primär verständnisorientierte Phasen des Lernens zurückgreifen zu können, erlaubt es den Schülerinnen und Schülern, Kompetenzen zu sichern, die auf tragfähigen Vorstellungen basieren. Diese sind dann flexibel einsetzbar und weniger fehleranfällig.
Sicherndes Üben im Kontext der weiteren Übungsphasen
Werden die vorangegangenen Übungsphasen durchlaufen – insbesondere das vernetzende und das entdeckende Üben –, wird deutlich, dass die Lernenden, bspw. auf das kleine Einmaleins bezogen, auch in diesen Phasen vermutlich schon einzelne Aufgaben automatisiert haben. So wird beim Vernetzenden Üben der Fokus schon auf einige „einfache“ Kernaufgaben gelegt, mit denen schwierigere Aufgaben abgeleitet werden können. Und da beim entdeckenden Üben zur Lösung einer übergeordneten Problemstellung üblicherweise eine größere Anzahl von Rechenaufgaben gelöst werden muss, bietet sich dabei die Möglichkeit, das Ableiten von Aufgaben durch Wiederholung zu festigen und einzelne Aufgaben zu automatisieren.
Das Automatisieren findet also meist schon parallel zu den anderen Übungsphasen statt. Dies bedeutet jedoch nicht, dass es als Übungsphase an sich an Bedeutung verliert, sondern dass bei der Ausgestaltung dieser Phase auf die Lernerträge der anderen Phasen zurückgegriffen werden kann und sollte. Diese Verknüpfung mit den anderen Übungsphasen zeigt sich in den folgenden vier Prinzipien, die das Ziel haben, das Automatisieren von Aufgaben möglichst effizient zu gestalten.
Sortieren von Aufgaben
„Kopfrechenaufgaben sollten nicht durch Pauken automatisiert werden. Vielmehr sollten die Aufgaben des Einmaleins, Einsminuseins usw. beispielsweise auf Aufgabenkärtchen gedruckt und zur Verfügung gestellt werden. Diese sortieren die Kinder – auch in Gruppen – zunächst nach einfachen und schwierigen Aufgaben. Zudem können die einfachen Aufgaben nach Aufgabenmerkmalen wie z.B. ‚Aufgaben mit 5‘ weiter sortiert werden. Die Kinder machen schnell die Erfahrung, dass sie bereits viele einfache Aufgaben können“ (Götze, Selter & Zannetin, 2019, 91). Dies motiviert und hilft, den Überblick über die Aufgaben zu behalten und Aufgaben in den Fokus zu nehmen, die noch nicht sicher automatisiert worden sind.
Aufgabenpool so klein wie möglich halten
Jede Aufgabe, die nicht auswendig gewusst werden muss, hilft dabei, den Prozess des Automatisierens effizienter zu gestalten. Deshalb ist z.B. die konsequente Nutzung des Kommutativgesetzes (Vertauschungsgesetz) wichtig. So bleiben aus zunächst 100 Aufgaben aus dem kleinen Einmaleins nur noch 55 Aufgaben über (Gaidoschik, 2015). Ähnlich verhält es sich beim kleinen Einspluseins. Aus ursprünglich 121 Aufgaben bleiben gerade einmal 18 „schwere“ Aufgaben übrig, die nicht durch Tauschaufgaben oder relativ einfache Ableitungen bestimmt werden können (Selter & Zannetin, 2019).
Verkürzen von Ableitungen
Zusätzlich können auch Ableitungen von Aufgaben als Merkhilfe fungieren, besonders, wenn sie „vom Kind immer wieder gedanklich durchlaufen und dabei mehr und mehr abgekürzt“ (Gaidoschik, 2015, 20) werden. Dies kann beispielsweise in folgenden Abstufungen geschehen (ebd.):
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„5 mal 8? Warte … 10 mal 8 ist 80. Davon die Hälfte … also 40!“
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„5 mal 8? Hälfte von 80. Also 40.“
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„5 mal 8? 80… 40… 5 mal 8 ist 40“
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„5 mal 8? 40!“
Automatisieren als bewusstes Ziel
Dass die Schülerinnen und Schüler wichtige Aufgaben des Einspluseins oder Einmaleins auswendig wissen oder ohne größere Anstrengung ableiten können, ist ein entscheidendes Ziel des Mathematikunterrichts der Primarstufe (Götze, Selter & Zannetin, 2019; Gaidoschik, 2015). Den Lernenden dieses Ziel bewusst zu machen und sie davon zu überzeugen, dass sich die Anstrengungen auf dem Weg dorthin lohnen, ist nicht immer einfach. Hilfreich sind hierfür die vorangegangenen Phasen des Übens: „[Die Kinder] erleben, dass jede auswendig gewusste Aufgabe dabei hilft, sich bei anderen Aufgaben das mühsame Hochaddieren oder gar Abzählen zu ersparen. Ableiten ist besser als Abzählen; je mehr ich auswendig weiß, umso leichter kann ich ableiten. Auswendigwissen ist aber noch besser: was ich auswendig weiß, muss ich nicht mehr ableiten (ebd., 133).