Ein vertieftes „Verständnis des Messens“ stellt die Grundlage für ein verständnisbasiertes Umwandeln von Größenangaben dar, das nicht auf ein lediglich schematisches Anhängen oder Streichen von Nullen oder Verschieben von Kommata reduziert ist.
Im Größenbereich Längen erfolgt das Messen, indem festgestellt wird, wie häufig eine vorher festgelegte Länge (die somit zur Maßeinheit wird) in die zu messende Länge hineinpasst bzw. in dieser ohne Lücken und Überlappungen hintereinandergelegt werden kann (was dann durch die Maßzahl angegeben wird). Die als Maßeinheit fungierende Länge kann grundsätzlich frei gewählt werden. Die Länge kann also sowohl mit nicht-normierten (z. B. Fingerspanne, Bleistifte, Schritte) als auch mit normierten Maßeinheiten (z. B. Zentimeter, Meter) ausgemessen werden. Dabei sollten bereits im Rahmen dieser Aktivitäten die Begriffe Maßzahl und Maßeinheit verständnisorientiert eingeführt und in den das Messen begleitenden Reflexionen regelmäßig benutzt werden (vgl. Lassnitzer & Gaidoschik).
Drei grundlegende Ideen des Messens
Kinder zählen zwar, wie oft am Messobjekt eine Einheit unter Beachtung der Messvorschriften (nicht überlappend, ohne Lücken) abgetragen bzw. angelegt werden kann, doch ist dieses Messen keinesfalls mit dem Zählen gleichzusetzen. Grundlegend für die Idee des Messens sind vielmehr Einheiten, die wiederholt aneinandergelegt werden können bzw. in die das Messobjekt zerlegt werden kann und die dann zählbar sind.
Drei grundlegende Ideen des Messens
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Auswahl einer Einheit, die unabhängig von Zeit und Raum ist und die in Beziehung zum zu messenden Objekt gesetzt wird.
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Quantitatives Vergleichen der Einheit mit dem zu messenden Objekt durch einen Prozess des Vervielfachens der Einheit unter Beachtung der Messregeln (im Kontext von Längen z.B. Abtragungen ohne Zwischenräume und Überlappungen) und des gleichzeitigen Zählens der Anzahl an Einheiten. Hierbei erfahren die Lernenden, dass Messen kein Zählen von Objekten ist, sondern im Sinne des Aufteilens verstanden werden muss („Wie oft passt die gewählte Einheit?“)
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Zerlegen in systematisch feinere Einheiten, wenn keine natürliche Maßzahl das zu messende Objekt völlig erfassen kann (und dies unter Beachtung der situativ relevanten Bedingungen für die Grenzen der Präzision), und Verrechnen der unterschiedlichen Einheiten. Für das Verständnis der Beziehungen zwischen Einheiten und Untereinheiten sind zwei Erkenntnisse bedeutsam: a) die größere Einheit benötigt man stets in der kleineren Anzahl und b) die Beziehungen zwischen den Einheiten sind dezimal strukturiert.
(Filler & Nührenbörger, 2017, S. 82)
Vor dem Hintergrund dieser Grundideen wird schnell deutlich, dass zumindest die dritte Idee mit nicht-normierten Maßeinheiten nicht zu verwirklichen ist. Wenn eine zu messende Länge nicht genau durch ein Vielfaches der gewählten Maßeinheit (z. B. Stifte oder Handspannen) ausgemessen werden kann, muss diese Einheit systematisch zerlegt werden, um auch den „Rest“ der Länge erfassen zu können. Das ist jedoch weder mit gegenständlichen noch mit körpereigenen Messinstrumenten möglich.
Folgerichtig werden für die Leitidee Größen und Messen in den aktuellen Bildungsstandards für den ersten und den mittleren Schulabschluss folgende Kompetenzerwartungen für das Messen formuliert:
Die Schülerinnen und Schüler
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nutzen das Grundprinzip des Messens als Vergleichen mit (Standard-) Einheiten, z. B. bei der Bestimmung von Längen, Flächeninhalten und Volumina, auch in Sachsituationen,
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wählen Einheiten von Größen situationsgerecht aus (insbesondere für Zeit, Masse, Geld, Länge, Fläche, Volumen und Winkel) und wandeln sie ggf. um,
(Kultusministerkonferenz, 2022, S. 17)
Die Lehrkraft sollte deshalb darauf achten, dass sie die Messaktivitäten der Kinder mit nicht-normierten Maßeinheiten, mit denen sie in der 5. und 6. Klasse an die Erfahrungen der Kinder aus der Grundschulzeit anknüpft und die Lernenden ihr Messverständnis vertiefen, parallel zu Messaktivitäten mit normierten Maßeinheiten durchführen lässt. Sie kann Analogien und Unterschiede der beiden Messaktivitäten thematisieren und neben der fehlenden bzw. erschwerten Vergleichbarkeit von Messergebnissen ein weiteres Problem nicht-normierter Maßeinheiten in den Blickpunkt rücken: Die fehlende Skalierung macht ein genaueres Messen von Längen, die nicht vollständig durch eine Maßeinheit bzw. ein Vielfaches davon abgebildet werden können, schwierig oder gar unmöglich. Um eine Länge genau messen zu können, bedarf es einer Unterteilung der Maßeinheit in systematisch feinere Einheiten und um den Umgang mit einer Längenangabe zu erleichtern, bedarf es systematisch gröberer Einheiten.
Mit dieser Erkenntnis können die Schülerinnen und Schüler besser nachvollziehen, dass mit der Einführung einer normierten Maßeinheit (des Urmeters im Jahr 1799) im 19. Jahrhundert auch in Deutschland das metrische System und damit eine auf dem Dezimalsystem basierenden Skalierung der Längenmaßeinheiten eingeführt wurde.
Das Verständnis dieser Skalierung und damit verbunden der dritten Kernidee des Messens geht über das bloße Bestimmen einer Länge hinaus. Vielmehr ermöglicht das „Verständnis der Beziehungen zwischen linearen Einheiten, dem Messprozess und der Messskala“ (Peter-Koop & Nührenbörger, 2011, S. 100) den Schülerinnen und Schülern beispielsweise das In-Beziehung-Setzen von Start- und Endpunkt der Messaktivität, das Übertragen erworbener Kompetenzen auf andere Messinstrumente und die an die jeweilige Messsituation angepasste Auswahl der Messinstrumente und Maßeinheiten.
Maßeinheiten und Messgeräte
Das Verständnis einer dezimalen Beziehung zwischen Maßeinheiten ist somit die Grundlage für das Verständnis konventioneller Messgeräte und der darauf vorhandenen Skalen aus Einheiten und Untereinheiten. Die Schülerinnen und Schüler können dann die auf unterschiedlichen Längenmessgeräten vorhandenen (oder nicht vorhandenen) Angaben vergleichen und vor diesem Hintergrund miteinander in Beziehung setzen. Sie werden bei einer solchen Auseinandersetzung mit Messgeräten feststellen, dass auf manchen (z. B. vielen Gliedermaßstäben und Maßbändern) die Gesamtlänge angegeben ist, auf einigen (z. B. vielen Linealen) eine Maßeinheit (meist cm) und auf manchen auch nichts dergleichen.
Sie werden zudem feststellen, dass einige Messgeräte eine Skalierung für eine ihnen unbekannte Maßeinheit (Inch, gleichbedeutend mit der Maßeinheit Zoll) besitzen, die nicht dezimal strukturiert ist, der sie in ihrem Alltag durchaus begegnen (z. B. bei der Angabe von Längen- und Bundmaßen von Hosen, der Länge von Bildschirmdiagonalen oder dem Durchmesser von Fahrrad- und Autoreifen) und die sie dort auch nutzen (z. B. für Längenvergleiche), ohne mehr über sie zu wissen.
In einer solchen Auseinandersetzung mit verschiedenen Messgeräten können die Schülerinnen und Schüler dann auch Wege besprechen, über die sie sich mit Hilfe der auf den Geräten vorhandenen Angaben, ihrer eigenen Größenvorstellungen und dem Wissen um die Beziehung der metrischen Maßeinheiten zueinander erschließen können, welche Bedeutung die unterschiedlichen Striche und Zahlen auf dem jeweiligen Messgerät besitzen. Ohne ein Verständnis dieser Beziehungen und die damit verbundene Kenntnis der standardisierten Maßeinheiten sind Messprozesse nicht möglich, da auf konventionellen Messgeräten Skalenmarkierungen nur in dem oben beschriebenen Umfang vorhanden sind. Zudem ermöglicht erst „die Kenntnis der entsprechenden Einheiten und die Beurteilung der Messsituation (…) eine Entscheidung über die sinnvollste Angabe und die Interpretation jeder dieser Angaben“ (Zöllner, 2020, S. 65f.).
Beziehung zwischen Maßzahl und Maßeinheit
Die Größen- bzw. in unserem Fall die Längenangabe zeigt an, wie häufig die gewählte Einheit in die gemessene Länge passt. Es handelt sich somit um eine multiplikative Verknüpfung der Maßzahl mit der Maßeinheit, bei der beide Angaben miteinander verbunden sind und alleinstehend keine Aussagekraft bezüglich der gemessenen Länge haben.
Die Schülerinnen und Schüler müssen also verstehen, dass eine Längenangabe nicht allein von der Größe der Maßzahl abhängt, sondern diese immer in Verbindung mit der verwendeten Maßeinheit genannt und verstanden werden muss. Sie müssen zudem verstehen, dass Maßzahl und -einheit in einer inversen Beziehung zueinander stehen und eine Größe gleich bleibt, wenn die Maßeinheit verkleinert und die Maßzahl entsprechend vergrößert bzw. mit der entsprechenden Umrechnungszahl (die Zahl, mit der beim Umrechnen die Maßzahl multipliziert oder durch die sie dividiert werden muss) multipliziert wird und umgekehrt (vgl. Lassnitzer & Gaidoschik; Zöllner, 2020, S. 61f.).
Schülerinnen und Schüler mit Lernschwierigkeiten benötigen für ein solches Verständnis wiederholt begleitende Größenvergleiche und den Aufbau von Stützpunktvorstellungen. Diese können beispielsweise über das vergleichende Auslegen einer Länge mit Meter- und Dezimeterstäben und die dabei entstehenden Erkenntnis „Je größer die Einheit, desto kleiner die Maßzahl.“ und umgekehrt erfolgen (vgl. Schmassmann, 2009, S. 181).
Fehlt dieses Verständnis, so fehlt die Grundlage für das Umwandeln von und das Rechnen mit Größen und es kommt neben Rechenfehlern immer wieder zu folgenden Fehlern:
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Das Kind achtet bei der Addition und der Subtraktion nicht auf möglicherweise unterschiedlichen Maßeinheiten und addiert bzw. subtrahiert lediglich die Maßzahlen.
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Das Kind weiß nicht, dass oder wie es die Maßzahl beim Verändern der Maßeinheit entsprechend der gewählten neuen Maßeinheit mit der Umrechnungszahl multiplizieren oder durch diese dividieren muss.