Im Rahmen des Kompetenzbereichs Größen und Messen und damit auch im Größenbereich Längen verändern Zahlen in vielen Zusammenhängen ihre Bedeutung. Sie werden dann zu Maßzahlen, die in Beziehung zu den dazugehörigen Maßeinheiten betrachtet werden müssen. Deshalb ist es beim Rechnen mit Längen wichtig, dass Schülerinnen und Schüler verstehen, dass Maßzahlen und Maßeinheiten einer Längenangabe zusammengehören und Maßzahlen somit keine reinen Rechenzahlen sind. Dann können sie Maßzahlen und Rechenzahlen voneinander unterscheiden und in den jeweiligen Kontexten verständnisbasiert mit ihnen umgehen (Peter-Koop & Nührenbörger, 2011, S. 91).
Das Rechnen mit Längen
Beim Rechnen mit Längen werden (1) die Maßzahlen zweier oder mehrerer Längen addiert oder voneinander subtrahiert oder (2) die Maßzahl einer Länge mit einer natürlichen Zahl (einer Rechenzahl) multipliziert bzw. durch eine natürliche Zahl dividiert oder (3) eine Länge durch eine zweite Länge dividiert. Das Rechnen mit Längen verändert, im Gegensatz zum Umwandeln und Umrechnen von Längen, die Länge als solche.
Beim Addieren und Subtrahieren von Längen können diese unterschiedliche Maßeinheiten besitzen. Dann müssen alle Längen in eine gemeinsame Maßeinheit (in der Regel die kleinste) umgerechnet, addiert bzw. voneinander subtrahiert und schließlich wieder in die Zielmaßeinheit umgerechnet werden (z. B. 1,24 m + 87 cm = 124 cm + 87 cm = 211 cm = 2,11 m oder
2,4 km – 620 m = 2400 m – 620 m = 1780 m = 1,78 km).
Ein Darstellungswechsel von der symbolischen Repräsentation einer Rechnung hin zu einer Handlung, einer Rechengeschichte oder einem Bild und umgekehrt führt zu einem vertieften Verständnis der Rechenoperation und macht deutlich, dass es sich bei einer Addition um das Aneinanderfügen von Längen und bei einer Subtraktion um das Abtrennen von Längen handelt.
Eine Addition oder Subtraktion von einer Länge mit bzw. von einer Größe eines anderen Größenbereichs ist nicht möglich.
Beim Multiplizieren wird eine Länge mit einer Rechenzahl malgenommen und das Ergebnis ist eine Länge in der Ausgangsmaßeinheit, die dann gegebenenfalls in eine andere, besser handhabbare Maßeinheit umgerechnet wird (z. B. 200 · 25 cm = 5000 cm = 50 m). Das Ergebnis einer Division ist entweder eine Länge in der Ausgangsmaßeinheit (beim Verteilen, d. h. beim Dividieren einer Länge durch eine natürliche Zahl, z. B. 50 m : 2000 = 0,025 m = 2,5 cm =
25 mm) oder eine natürliche Zahl (beim Aufteilen, d. h. beim Dividieren einer Länge durch eine Länge desselben Größenbereichs und derselben Maßeinheit, z. B. 50 m : 2 m = 25).
Auch bei diesen Operationen führt ein Darstellungswechsel bei den Schülerinnen und Schülern zu einem vertieften Verständnis. Er macht deutlich, dass es sich bei einer Multiplikation einer Länge um ein mehrfaches Aneinanderfügen gleichlanger Längen und bei einer Division um das Verteilen einer Länge in eine bestimmte Anzahl gleichlanger Abschnitte bzw. das Aufteilen einer Länge in mehrere gleichlange Abschnitte handelt.
Die Multiplikation zweier oder mehrerer Längen führt zu einem Ergebnis, das einem anderen Größenbereich angehört (Länge * Länge = Fläche, z. B. 23 m · 6 m = 138 qm, oder Länge * Länge * Länge = Volumen, z. B. 5 cm · 5 cm · 40 cm = 1000 ccm).
Eine Länge kann nicht mit einer anderen Größe multipliziert werden. Die Division einer Länge durch eine andere Größe hingegen ist mit der Größe Zeit möglich und resultiert dann in einem neuen Größenbereich (Länge : Zeit = Geschwindigkeit, z. B. 115 km : 5 h = 23 km/h).
Realitätsbezug beim Rechnen mit Längen
In den aktuellen Bildungsstandards werden für die Leitidee Größen und Messen für den ersten Schulabschluss folgende Kompetenzerwartungen zum Rechnen mit Größen formuliert:
Die Schülerinnen und Schüler (…)
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nehmen in ihrer Umwelt gezielt Messungen vor, auch mit Hilfe digitaler Medien (als Informationsquelle oder Messinstrument), entnehmen Maßangaben aus Quellenmaterial, führen damit Berechnungen durch und bewerten die Ergebnisse sowie den gewählten Weg in Bezug auf die Sachsituation,
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berechnen Streckenlängen und Winkelgrößen, auch unter Nutzung des Satzes von Pythagoras und Ähnlichkeitsbeziehungen, auch mit Hilfe digitaler Mathematikwerkzeuge.
(Kultusministerkonferenz, 2022, S. 17f)
Diese Kompetenzerwartungen machen deutlich, dass das Rechnen mit Größen mehr ist als das Operieren mit Maßzahlen und Maßeinheiten.
Auch wenn das Rechnen-Üben seine Berechtigung hat, gilt es für die Lehrkraft, sich bei der Planung des Unterrichts und der damit verbunden Aufgabengestaltung wann immer möglich an der Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler zu orientieren. Sie sollte möglichst realitätsnahe Kontexte finden, in denen die Mathematik ein Werkzeug ist, mit dem die Heranwachsenden „Erscheinungen der Welt aus Natur, Gesellschaft, Kultur, Beruf und Arbeit in einer spezifischen Weise“ (Kultusministerkonferenz, 2022, S. 6) wahrnehmen und verstehen können.
Aufgaben, in denen die Kontexte Realsituationen sind, „die erfunden wurden, um mathematische Aktivitäten anzuregen“ (Leuders & Leiß, 2010, S. 204), sind hingegen als problematisch zu betrachten. Wenn die realistische Hülle, mit der die Rechenoperation eingekleidet wird, einen Anwendungsbezug nur vorspiegelt, bei logischer Betrachtung aber unsinnig erscheint, besteht die Gefahr, dass die Schülerinnen und Schüler den Kontext nicht ernst nehmen und Mathematik als Werkzeug wahrnehmen, mit dem Aufgaben in einem Schulbuch gelöst werden können (Leuders & Leiß, 2010, S. 204ff).
Mögliche Fragen, mit denen Aufgabenstellungen und Kontexte zum Rechnen mit Längen beurteilt werden können, wären beispielsweise, ob mit der Mathematik auch reale Probleme gelöst bzw. reale Fragen beantworten werden können oder ob es geeignetere Kontexte für diese Rechnungen gäbe (Leuders & Leiß, 2010, S. 206).