Der Längenbegriff

Die Länge ist neben der Masse (bzw. dem Gewicht) und der Zeit eine von drei sogenannten Grundgrößen, die im Mathematikunterricht der Primar- und Sekundarstufe zum Teil wiederholt und ausführlich thematisiert werden. Diese Grundgrößen lassen sich nicht auf andere Größen zurückführen. Die Länge ist im Mathematikunterricht auch von besonderer Bedeutung, da sie die Grundlage für die abgeleiteten Größen Fläche (Länge mal Länge), Volumen (Länge mal Länge mal Länge) und Geschwindigkeit (Länge durch Zeit) darstellt (Greefrath, 2010, S. 101f).

Unter einer Länge wird abstrakt die Entfernung zweier Punkte voneinander verstanden. Konkretisiert können diese beiden Punkte die lineare Ausdehnung eines Gegenstandes, die Entfernung zweier Gegenstände voneinander oder ein Weg sein, der von einem Punkt zu einem anderen zurückgelegt wird. 

Mit der Länge im mathematischen Sinne ist aber auch gemeint, wenn z. B. von der Größe eines Menschen, der Höhe eines Hauses, der Tiefe eines Loches, der Breite eines Schranks oder der Dicke eines Buches gesprochen wird. Adjektive wie etwa groß, hoch, tief, breit, dick beschreiben also ebenso Längenmaße wie die dazugehörigen Komparative und Superlative (größer als, am größten etc.) Darüber hinaus kann der Begriff Länge ebenfalls im Kontext des Größenbereichs Zeit (z. B. als Länge eines Films oder der Ferien) vorkommen. 

Daher sollten mit der Entwicklung von Größenvorstellungen auch die damit verbundene Vielzahl an Wörtern und Satzbausteinen im Unterricht thematisiert und der Umgang mit ihnen erlernt und eingeübt werden (Landesinstitut für Schule und Ausbildung Mecklenburg-Vorpommern, 2005, S. 19; LISUM, 2018, S. 5).

Längenmaßeinheiten in der Schule und in der Lebenswelt

Schülerinnen und Schüler haben beim Übergang in die Sekundarstufe I häufig vielfältige Erfahrungen im Größenbereich Längen gesammelt, da diese Größe mit geeigneten Messinstrumenten sowohl im Alltag (z. B. beim Messen der eigenen Körpergröße) als auch im Unterricht (z. B. beim Messen von Gegenständen im Klassenraum und Entfernungen auf dem Schulhof bzw. im Schulumfeld) direkt erfahrbar ist. Im Alltag der Lernenden spielen vor allem die Einheiten Millimeter, Zentimeter, Meter und Kilometer eine Rolle. Zum sicher vorhandenen Vorwissen aller Schülerinnen und Schüler der Klasse 5 sollten daher gesicherte Stützpunktvorstellungen zu diesen Einheiten (1 mm, 1 cm, 1 m, 1 km) ebenso gehören wie deren Gebrauch in vielfältigen Situationen.

Da die Kinder häufig auch mit Teilen (z. B. ½ Meter) und Vielfachen (z. B. 100 Meter) von Längeneinheiten umgehen müssen, sind auch zu diesen Maßen entsprechende Stützpunktvorstellungen wichtig. Die Einheit Dezimeter kommt in der Lebenswelt der Lernenden zwar nur selten vor, ist jedoch für das Verständnis der Beziehung der Längeneinheiten Zentimeter und Meter zueinander von Bedeutung. Kleinere Einheiten (wie z. B. Mikro- oder Nanometer) spielen ebenso wie größere (z. B. Lichtjahre) nur in Spezialgebieten eine Rolle. Die Begriffe Dekameter (10 m) und Hektometer (100 m) haben über das Gewinnen einer konstanten Umrechnungszahl (mal bzw. geteilt durch 10) für die Einheiten von Millimeter bis Kilometer hinaus keine für die Lernenden fachliche Bedeutung (Landesinstitut für Schule und Ausbildung Mecklenburg-Vorpommern 2005, S. 19).

In den inklusiven Lerngruppen der Grundschule werden diese Erfahrungen naturgemäß auf unterschiedlichen Niveaus gemacht und zur Entwicklung von unterschiedlichen Kompetenzen führen. So haben beispielsweise Schülerinnen und Schülern mit einem Unterstützungsbedarf Lernen Messerfahrungen möglicherweise vor allem im Bereich von Längen gemacht, die sie mit ihren Zahlvorstellungen (z. B. im Zahlenraum bis 20 oder bis 100) quantifizieren können, und Schülerinnen und Schüler mit einem Unterstützungsbedarf in ihrer körperlichen und motorischen Entwicklung werden häufig über eingeschränkte oder alternative Messerfahrungen mit Körpermaßen und Messwerkzeugen verfügen. Aber auch bei Regelschulkindern führt die Bearbeitung von Aufgaben im Unterricht nicht automatisch zur Entwicklung eines gleichen Maßes entsprechender Kompetenzen.

Die Lehrkräfte der 5. und 6. Klassen in inklusiven Lerngruppen können von einem breiten Spektrum an vorhandenen Messerfahrungen und Kompetenzen bei den Lernenden ausgehen. Fast alle Schülerinnen und Schüler werden unterschiedlichen Messgeräten (z. B. Lineal, Gliedermaßstab bzw. Zollstock, Maßband) und vielleicht auch mit Körpermaßen (z. B. Fingerbreite, Handbreite, Schrittlänge) geschätzt und gemessen haben. Erfahrungen mit den Einheiten Millimeter, Zentimeter, Meter und Kilometer, dem Zeichnen von Strecken mit dem Lineal oder dem Geodreieck, dem Umwandeln von Längenmaßen in benachbarte Maßeinheiten und dem Rechnen mit Längenmaßen werden alle Lernenden zumindest teilweise gemacht haben. Darüber hinaus sind auch die Beziehungen zwischen den gebräuchlichsten Längeneinheiten (10 mm = 1 cm, 100 cm = 1 m, 1000 m = 1 km) und die Bedeutung von Dezimalzahlen im Zusammenhang mit Längen im Sachkontext Gegenstand des Grundschulunterrichts. Da in der Grundschule häufig der Schwerpunkt auf den Maßeinheiten Meter und Zentimeter liegt und es weniger Möglichkeiten des konkreten Messens mit den Maßeinheiten Millimeter und Kilometer gibt, ist die Vertrautheit der Kinder im Umgang mit diesen Maßeinheiten häufig deutlich weniger ausgeprägt (Prediger et al., 2017, S. 12).

Wichtige Unterrichtsprinzipien

Trotz der oben beschriebenen, vorhandenen Messerfahrungen ist jedoch zu beobachten, dass „viele Schüler (…) im Laufe der Grundschulzeit kein grundlegendes Messverständnis entwickeln und nur geringe Vorstellungen über konventionelle Einheiten besitzen“ (Nührenbörger, 2004, S. 39). Die Ursachen für die beobachteten Probleme können in der Unterrichtsgestaltung liegen, in der oft zu kleinschrittig vorgegangen wird und die Alltagserfahrungen der Kinder in zu geringem Maße aufgegriffen werden (Nührenbörger, 2004, S. 39f.). 

Als Grundlage für die eher kleinschrittige und die Alltagserfahrungen nicht berücksichtigende Unterrichtsgestaltung und damit für die o. g. Schwierigkeiten der Schülerinnen und Schüler, die sowohl in der Grundschule und als auch in der Sekundarstufe I beim Umgang mit Längen zu beobachten sind, wird in der aktuellen Mathematikdidaktik die Orientierung vieler Lehrbuchautorinnen und -autoren und Lehrkräfte am didaktischen Stufenmodell zur Behandlung von Größen angesehen (Franke & Ruwisch, 2010, S. 178f; Nührenbörger, 2004, S. 39f). Eine kritische Auseinandersetzung mit diesem Modell findet sich auch unter dem Punkt Vorstellungen aufbauen auf dieser Webseite.

Um zu vermeiden, dass den Schülerinnen und Schülern die o. g. Messinstrumente zwar bekannt sind, die Messvorgänge mit diesen aber fehlerhaft und unflexibel ausgeführt werden, sollten Lehrkräfte bei der Planung und Durchführung ihres Unterrichts u. a. folgende Unterrichtsprinzipien beachten:
 

Schüler- und Schülerinnenorientierung
Die vielfältigen, unsystematisch (im Alltag) und systematisch (in der Schule) erworbenen Längenerfahrungen der Lernenden sollten aufgegriffen und bewusst gemacht werden, um sie miteinander zu verbinden und das Vorwissen und die Messinteressen zu berücksichtigen und zu nutzen (Franke & Ruwisch, 2010, S. 178f; Nührenbörger, 2004, S. 40).
 

Anwendungsorientierung
Messanlässe sollten so oft wie möglich der Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler entstammen und Messergebnisse eine Bedeutung in dieser Welt besitzen, damit die im Unterricht erworbenen Kompetenzen auch in außermathematischen Bereichen genutzt werden können und die Handlungsfähigkeit der Lernenden vergrößern (Nührenbörger, 2004, S. 40)
 

Verständnisorientierung
Möglichst alle Schülerinnen und Schüler einer Lerngruppe sollten die Beziehungen zwischen den Längeneinheiten und damit deren innenliegende Struktur verstehen und nicht z. B. bei der Umrechnung von einer Maßeinheit in eine andere schematisch (z. B. „Wenn ich von Meter in Zentimeter umwandeln will, dann muss ich die Zahl mit 100 multiplizieren/das Komma zwei Stellen nach rechts verschieben/zwei Nullen anhängen.“) vorgehen (Prediger et al., 2017, S. 12). 
 

Wie das gelingen kann, wird in der Aufgabenstellung kompakt im Bereich Unterricht dargestellt.