Inklusiver Fachunterricht unterliegt einer Vielzahl unterschiedlicher Bedingungsfaktoren, die diesen direkt oder indirekt beeinflussen. Diese Faktoren können sowohl Hürden als auch Chancen bei einer erfolgreichen Umsetzung von inklusivem Unterricht darstellen. Aus Sicht der Lehrkraft gibt es zum einen vorgegebene, von ihr nicht oder nur wenig zu beeinflussende Faktoren, wie die außerschulischen sowie die schulorganisatorischen und –strukturellen Bedingungen. Diese bilden einen Rahmen, in dem die Lehrkraft mehr oder weniger flexibel inklusiven Unterricht umsetzen kann. Zum anderen gibt es Faktoren, welche die Lehrkraft direkt oder mittelbar beeinflussen kann. Bei der konkreten Umsetzung eines inklusiven Fachunterrichts sind die wichtigsten Bedingungsfaktoren die beteiligten Personen: die Lehrkraft selbst, das einzelne Kind und die gesamte Klassengemeinschaft sowie die wechselseitigen Einflüsse zwischen diesen Akteurinnen und Akteuren. 

Bedingungsfaktoren eines fachlich inklusiven Unterrichts mit Schülerinnen und Schülern im zieldifferenten Bildungsgang Geistige Entwicklung, eigene Darstellung
 

Inwiefern begünstigen oder verhindern die genannten Bedingungsfaktoren nun die Umsetzung eines inklusiven Fachunterrichts mit Kindern im zieldifferenten Bildungsgang Geistige Entwicklung, die im Gemeinsamen Lernen unterrichtet werden? Dieser Frage wird im weiteren Verlauf nachgegangen. Die unterschiedlichen Bedingungsfaktoren werden im Überblick und aus Sicht der Lehrkraft „von außen nach innen“ dargestellt, beginnend bei den außerschulischen Faktoren, über die schulorganisatorischen und -strukturellen Faktoren, hin zu den klassenspezifischen Faktoren. 

Danach folgen Faktoren, die direkt mit dem konkreten Unterricht zusammenhängen. Wir legen einen besonderen Fokus auf die Faktoren, die den inklusiven Fachunterricht mit Schülerinnen und Schülern im Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung in besonderer Weise beeinflussen. Für eine vertiefende Auseinandersetzung mit Planung und Durchführung von Unterricht für Kinder im Bildungsgang Geistige Entwicklung finden Sie auf den Seiten des Projekts weitere Ausführungen unter Unterricht und Hintergrund.

Gesellschaftliche und politische Rahmenbedingungen

Lage und Einzugsbereich der Schule beeinflussen die Zusammensetzung der Schülerschaft und erleichtern oder erschweren die Elternarbeit (vgl. Speck, 2018; Terfloth & Cesak, 2016). Bei Eltern mit Kindern, die im Bildungsgang Geistige Entwicklung gefördert werden, ist zu beachten, dass sie durch die Zieldifferenz des Bildungsganges häufig mit neuen und alternativen Formen des Unterrichts und der Leistungsbewertung konfrontiert werden, denn die individuelle Bezugsnorm steht hier im Vordergrund, Zeugnisse sind nur zum Schuljahresende vorgesehen und nur als Textzeugnisse ohne Ziffernnoten (vgl. MSB, 2022a, S. 43/44). Um eine förderliche Zusammenarbeit zwischen Elternhaus und Schule zu ermöglichen, braucht die Lehrkraft neben Transparenz und professionellen Kompetenzen auch Verständnis für und Einfühlungsvermögen in die speziellen Familiensituationen (vgl. Terfloth & Cesak, 2016). 

Des Weiteren gehört ein Netzwerk außerschulischer Professionen zu den möglichen Einflussfaktoren. Dazu zählen z.B. Übergangsstellen wie abgebende Kindertagesstätten und Kooperationspartner wie medizinische oder therapeutische Einrichtungen, die häufig für Kinder mit sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf Geistige Entwicklung eine wichtige Rolle spielen (vgl. ausführlich MSB, 2022a, S. 19-23) und inklusiven Unterricht beeinflussen können.

Im Bereich der bildungspolitischen Entscheidungen hat die Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention durch die Bundesregierung 2009 eine wichtige Voraussetzung für den inklusiven Unterricht für Kinder mit sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf Geistige Entwicklung geschaffen. Die konkrete Umsetzung liegt seitdem bei den Bundesländern (vgl. Preuß, 2018, S. 44/45), welche unterschiedliche schulrechtliche Regelungen treffen und eigene Richtlinien, Lehrpläne oder Unterrichtsvorgaben entwickeln.

Für Nordrhein-Westfalen gelten seit August 2022 neue „Richtlinien für den Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung“ (MSB, 2022a, S. 6). Sie unterstützen die Lehrkräfte praxisnah bei der Planung von Unterricht und sonderpädagogischer Unterstützung und verfolgen die „Leitziele der persönlichen Entfaltung und aktiven gesellschaftlichen Teilhabe der Kinder“ (MSB, 2022a, S. 6). Besonderer Wert wird auf die Entfaltung von Würde, Selbstwertgefühl sowie Persönlichkeit, Begabung, Kreativität und geistige sowie körperliche Fähigkeiten der Schülerinnen und Schüler im Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung gelegt. 

Die Schülerschaft im zieldifferenten Bildungsgang Geistige Entwicklung zeigt ein besonders breites Spektrum im Bereich der individuellen Fähigkeiten. Dieser Heterogenität wird durch unterschiedliche Anpassungen in den Richtlinien Rechnung getragen, indem spezielle Grundsätze der Unterrichtsgestaltung formuliert werden, die Zugänge zu Lerngegenständen für alle Kinder des Bildungsgangs ermöglichen sollen. Neben der enaktiven, ikonischen und symbolischen Aneignungsebene wird zusätzlich die basal-perzeptive Ebene als elementarste Form der sinnlich-wahrnehmenden Aneignung definiert. Sinnlich-wahrnehmend meint dabei die Auseinandersetzung mit dem fachlichen Inhalt über die unterschiedlichen Wahrnehmungsebenen der Sinne bzw. die eigene Bewegung. Das Mitdenken dieser basalen Ebene ermöglicht es Lehrkräften in der konkreten Unterrichtsumsetzung allen Schülerinnen und Schülern in ihren individuellen und subjektiven Lernvoraussetzungen gerecht zu werden (vgl. MSB, 2022a, S. 29/30).

Die Richtlinien sprechen im Schwerpunkt Geistige Entwicklung von Kompetenzerwartungen statt von „angestrebten Kompetenzen“ (vgl. MSB, 2022a, S. 37-39), bei denen vor allem die individuelle Bezugsnorm genutzt werden soll. Sie werden in Nordrhein-Westfalen ergänzt durch drei Unterrichtsvorgaben für die Entwicklungsbereiche und die Aufgabenfelder Mathematik sowie Sprache und Kommunikation. In einer Verknüpfung von Entwicklungsorientierung, Fachorientierung und Lebensweltbezug sollen im zieldifferenten Bildungsgang Geistige Entwicklung zentrale Kompetenzen vermittelt werden, die zur persönlichen Entfaltung, zu einer selbstständigen Lebensgestaltung, zu einer fachlichen Bildung und zugleich zu einer gesellschaftlichen Teilhabe beitragen und Partizipation in allen Lebensbereichen anstreben (MSB, 2022b, S. 11):

Das Ziel des Unterrichts in den Entwicklungsbereichen ist es, Kompetenzen in den Bereichen Motorik, Wahrnehmung, Kognition, Sozialisation und Kommunikation zu vermitteln. Diese werden im Sinne eigenständiger Unterrichtsinhalte angebahnt, mit angestrebten fachlichen Kompetenzen aus den Aufgabenfeldern verknüpft und/oder als individueller Schwerpunkt in thematischer Anbindung an den Fachunterricht gesetzt.

Auszug aus dem Kompetenzbereich Kommunizieren in den Unterrichtsvorgaben zum Aufgabenfeld Mathematik (MSB, 2022c, S. 35-36)
 

Die Abbildung zeigt am Beispiel Kommunikation, wie in den Unterrichtsvorgaben für das Aufgabenfeld Mathematik den Lernenden durch Einbindung von Entwicklungsbereichen und Verknüpfung mit fachlichen Inhalten und Kompetenzen Entwicklungschancen eröffnet werden können. Hinsichtlich der Kompetenzbereiche (Prozesse) sowie der Inhalte ist das Aufgabenfeld Mathematik eng an der Systematik des Lehrplans für die Primarstufe orientiert (MSB, 2022c, S. 19). Vor allem bei der Ausarbeitung angestrebter Kompetenzen wird der Heterogenität des Förderschwerpunktes (besonders im Bereich der Reduktion) Rechnung getragen. In den höheren Jahrgangsstufen orientieren sich die Unterrichtsvorgaben an den Richtlinien für die Hauptschule. 


Die seit August 2022 geltenden Richtlinien sind auf der Seite des Ministeriums direkt einsehbar: „Richtlinien für den Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung“. Ebenso die Unterrichtsvorgaben für die Entwicklungsbereiche und die Aufgabenfelder Mathematik sowie Sprache und Kommunikation.

Ein Überblick über ausgewählte Richtlinien anderer Bundesländer findet sich bei Schäfer (2020, Kapitel 4).


Schulstrukturelle und –organisatorische Faktoren 

Die schulstrukturellen und –organisatorischen Faktoren bilden durch das Schulkonzept und die schulinternen Lehrpläne, die schulspezifischen Möglichkeiten im Bereich der Räumlichkeiten und der sachlichen und personellen Ausstattung den direkten Rahmen für konkreten Unterricht. Die Haltung der Schulleitung spielt eine entscheidende Rolle dabei, inwiefern im Rahmen von Schulentwicklung inklusiver Unterricht unterstützt und vorangetrieben oder verhindert wird (vgl. Preuß 2018, S. 50). 

Um einen inklusiven Unterricht, in dem auch Kinder mit Förderbedarf Geistige Entwicklung unterrichtet werden, differenziert zu gestalten – etwa in Phasen der Einführung in ein neues Thema oder der Ergebnissicherung mit nur einem Teil der Lerngruppe, - kann eine gute personelle oder räumliche Ausstattung eine differenzsensible Unterrichtsplanung vereinfachen und unterstützen. 

Klassenspezifische Faktoren

Auf der Ebene der konkreten Schulklasse haben die Klassengröße und die Zusammensetzung der Schülerschaft sowie die konkreten personellen, räumlichen und materiellen Möglichkeiten großen Einfluss auf die Umsetzung von Unterricht. Nach Hattie (2013) hat allein die zahlenmäßige Reduktion der Klassengröße einen relativ geringen Einfluss auf die durchschnittlichen Lernergebnisse, solange die Reduktion nicht für differenzierte und wirksamere Unterrichtsangebote genutzt wird. Zu viele Kinder in einer Klasse können jedoch die Lernenden und die Lehrenden überfordern und bestimmte Konstellationen von Schülerinnen und Schülern können das Herstellen und Pflegen einer guten Klassengemeinschaft erleichtern oder erschweren, ohne dass dies in erster Linie von den Kompetenzen und Methoden der Lehrkraft abhängt. Für den inklusiven Unterricht empfehlen sich deshalb kleinere Klassengruppen.

Kinder im Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung brauchen im Unterricht meist viel Aufmerksamkeit und Zuwendung, folglich empfiehlt sich der Einsatz von pädagogischen Fachkräften. Zu den innerschulischen Professionen gehören z.B. sozialpädagogische Fachkräfte, Schulbegleitung, Integrationskräfte oder Pflegekräfte (vgl. u.a. MSB, 2022a, S. 19). Dabei geht es im Bildungsgang Geistige Entwicklung neben der kognitiven Bildung auch um therapeutische und pflegerische Aspekte, die eng mit dem Bildungs- und Erziehungsauftrag verbunden sind (vgl. MSB, 2022a, S. 20). 

Eine weitere wichtige Unterstützung im Unterrichtsalltag (nicht nur) bei Schülerinnen und Schülern im Bildungsgang Geistige Entwicklung stellt der Einsatz von Eingliederungshilfen, z.B. in Form von Schulbegleitungen, dar. Diese können sowohl einzelne Schülerinnen und Schüler bei der Bewältigung der individuellen Bildungs- und Entwicklungsziele unterstützen als auch mehrere Schülerinnen oder Schüler parallel begleiten („Pool-Modell“). 

Individuelle Faktoren: Schülerin und Schüler

Die Lernenden bringen in der Regel sehr unterschiedliche Voraussetzungen, Fähigkeiten und Kompetenzen mit in den Unterricht. Im zieldifferenten Bildungsgang Geistige Entwicklung herrscht in dieser Hinsicht eine besonders hohe Heterogenität, die in inklusiven Settings, in denen Kinder mit und ohne Unterstützungsbedarf miteinander lernen, verstärkt wird. In einem inklusiven Fachunterricht, der dem gesamten Kontinuum des Lern- und Leistungsvermögens einer Lerngruppe Rechnung tragen will, stellt eine solch große Heterogenität der Schülerschaft einen besonderen Bedingungsfaktor dar (siehe dazu auch die differenzsensible Unterrichtsplanung). 

  • Kinder im Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung zeigen einen dauerhaften und hochgradigen Entwicklungsrückstand im Bereich der kognitiven Entwicklung (vgl. AO-SF § 5). Dies bedeutet, dass sie vermehrt Schwierigkeiten haben, abstrakt zu denken, Handlungsabläufe im Vorfeld zu planen oder sich flexibel auf unbekannte Situationen einzustellen. Somit profitieren sie besonders von konkreten Materialien und klar strukturierten Unterrichtssituationen (vgl. de Vries, 2018, 11), bei denen die Erarbeitung der mathematischen Basiskompetenzen im Vordergrund steht (für weiterführende Recherche siehe dazu Unterricht und Hintergrund).
  • Je nachdem, wie weit das Spektrum der fachlichen Fähigkeiten und individuellen Lernvoraussetzungen der Schülerinnen und Schüler ist, wird die Planung und Durchführung des Fachunterrichts entsprechend beeinflusst. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass Schülerinnen und Schüler im zieldifferenten Bildungsgang Geistige Entwicklung besondere Unterstützung bei der Erarbeitung und Erschließung kognitiv herausfordernder Inhalte benötigen. In diesem Sinne müssen die „bisherigen mathematikdidaktischen Ansätze zur Differenzierung im Unterricht noch sehr viel weitgreifender umgesetzt werden“ (Lenze & Lutz-Westphal, 2015, S. 41) (siehe dazu Unterricht).
  • Schülerinnen und Schüler im zieldifferenten Bildungsgang Geistige Entwicklung zeigen im Rahmen bestimmter Syndrome wie Autismus-Spektrum-Störung, Fragiles-X-Syndrom, Fetales-Alkoholsyndrom und Trisomie-21 Besonderheiten im Erleben und Verhalten, die einen großen Einfluss auf das schulische Lernen haben können (Terfloth & Cesak, 2015; Stöppler & Wachsmuth, 2010).

Individuelle Faktoren: Lehrkraft

Einer der wichtigsten Bedingungsfaktoren gelingenden Lernens in einem inklusiven Fachunterricht ist die einzelne Lehrkraft selbst (vgl. Hattie, 2013), denn die differenzsensible Unterrichtsplanung und -durchführung liegen maßgeblich in ihrer Hand. Wie sie ihren Unterricht gestaltet, ist von ihrem eigenen Bildungsweg sowie ihrer persönlichen Haltung zu Unterricht, Bildung, Inklusion etc. abhängig. Für das Unterrichten einer besonders heterogenen Schülerschaft gelten grundsätzlich die bekannten didaktischen Prinzipien, aber die Lehrkraft wird mit einem breiteren Spektrum von mathematischen Fähigkeiten konfrontiert und sie muss sich detaillierter mit den individuellen Voraussetzungen der Schülerinnen und Schülern befassen (siehe dazu Diagnosegeleitet Fördern). Dabei ist es wichtig, neben einer Differenzierung auf methodischer Ebene auch die inhaltliche Komplexität an die Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler mit Unterstützungsbedarf Geistige Entwicklung anzupassen (vgl. Terfloth & Cesak, 2016, S. 35) (weitere Informationen finden Sie unter Unterricht und Hintergrund).

Lehrkräfte müssen auf der einen Seite Kenntnis über fachdidaktische Prinzipien sowie über sonderpädagogische Herausforderungen der Förderschwerpunkte haben. Auf der anderen Seite spielt für die sinnvolle und überlegte Auswahl der einzusetzenden Maßnahmen die innere Haltung und der individuell gewählte Fokus des Unterrichts eine maßgebliche Rolle. 

Inwiefern den Themen der individuellen Förderung, der Verknüpfung von inhaltlichen, prozessbezogenen Fachthemen und Entwicklungsanliegen, der Verbindung von konkretem Lebensweltbezug und dem dahinterliegenden abstrakten mathematischen Problem oder der Arbeit an einem gemeinsamen (fundamentalen mathematischen) Gegenstand Wichtigkeit zu gemessen wird, entscheidet darüber, welche Sozialformen, Methoden oder konkreten Aufgaben eingesetzt werden, wie vielfältig differenziert wird und wie das unterschiedliche Personal im Unterricht eingesetzt wird. 


Die hier angesprochenen fachdidaktischen Prinzipien und sonderpädagogischen Herausforderungen werden mit Bezug zum Mathematikunterricht und dem Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung genauer bei Schäfer (2020) beschrieben.


Beziehungsfaktoren

Die Beziehungen zwischen den unterschiedlichen Akteuren im inklusiven Fachunterricht stellen wichtige Bedingungsfaktoren für den Unterricht dar. Die Klassengemeinschaft bildet den Ausgangspunkt und den Rahmen für den konkreten Unterricht. Je nachdem, wie diese zusammengesetzt ist und miteinander harmoniert, mit Verschiedenheit umgehen kann und zueinandersteht, kann auch das individuelle Wohlbefinden und Lernen von Kindern mit Unterstützungsbedarf gefördert oder behindert werden. Im Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung können Kinder schnell eine Sonderrolle in der inklusiven Klasse bekommen. Sie werden in der Regel nicht über Ziffernnoten bewertet, bekommen nur einmal im Schuljahr ein Zeugnis, bearbeiten individuelle, häufig sehr unterschiedliche Aufgaben, werden öfter als andere Kinder exkludiert gefördert oder von einer Integrationskraft dauerhaft begleitet. Je nach Ausprägung ihres Unterstützungsbedarfs kann es auch sein, dass sie eine auffällige oder eingeschränkte verbale Sprache haben oder durch besondere (mitunter aggressive) Verhaltensweisen auffallen. Je nachdem, wie eine Klassengemeinschaft mit diesen Besonderheiten umgeht, kann die inklusive Klasse für ein Kind im Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung ein förderliches Lern- und Sozialklima sein oder es sogar am Lernen hindern. 

Unterricht entsteht immer durch Interaktion und Kommunikation (vgl. Terfloth & Bauersfeld, 2019, S. 230, Heß & Nührenbörger, 2017, S. 276). Neben der Interaktion zwischen den Schülerinnen und Schülern untereinander ist die vermutlich wichtigste Beziehung im konkreten Unterricht die zwischen Schülerin bzw. Schüler und Lehrkraft (vgl. Terfoth & Bauersfeld, 2019, S. 229; Stöppler & Wachsmuth, 2010, S. 101). Viele Unterrichtssituationen sind davon geprägt, dass die Klasse als Gemeinschaft von einer Lehrkraft angesprochen wird, sich dennoch jedes einzelne Kind angesprochen fühlen und inhaltlich mitdenken soll. Somit ist Unterricht immer auch eine besondere Kommunikationsleistung. Aus Sicht der Lehrkraft, weil sie gleichzeitig mit mehreren Kindern interagiert bzw. kommuniziert und diese Interaktion so gestalten soll, dass sich möglichst alle Kinder der Klassen angesprochen fühlen und aktiviert werden, das eigene Lernen zu gestalten. Aus der Sicht der Kinder, weil sie sich, soll Lernen gelingen, sowohl als Teil der Gruppe als auch als Individuum und damit selbstverantwortlich für das eigene Lernen wahrnehmen müssen. Diese Aufgabe ist bereits in einer Regelschulklasse eine Herausforderung und wird in einem inklusiven Setting durch die unterschiedlichen kommunikativen Voraussetzungen noch verschärft.

Kommunikation ist bei Lernenden im zieldifferenten Bildungsgang Geistige Entwicklung ein wichtiges Unterrichtsfeld und eine durchgängige Aufgabe (vgl. u.a. Stöppler & Wachsmuth, 2010, S. 101-114; Terfloth & Bauersfeld, 2019, S. 229-253; Speck, 2018, S. 298-300). Das Kommunikationsverhältnis zu einem Kind ist im Bildungsgang Geistige Entwicklung nicht grundsätzlich anders als zu einem Kind ohne Unterstützungsbedarf (vgl. Speck, 2018, S. 320), aber die kommunikativen Fähigkeiten sowohl verbaler als auch gestischer oder mimischer Art sind bei Kindern im Bildungsgang Geistige Entwicklung häufig eingeschränkt. Laut Stöppler und Wachsmuth (2010) haben mehr als ein Drittel und bis zu 60 Prozent aller Schülerinnen und Schüler im zieldifferenten Bildungsgang Geistige Entwicklung erhöhten Förderbedarf im Bereich der Kommunikation. In diesem Sinne ist die Kommunikation zwischen Kind und Lehrkraft entsprechend zu gestalten und ggf. mit bestimmten Unterstützungsmaßnahmen wie Gebärden, Talker oder Symbolsystemen zu modifizieren (vgl. Boenisch & Sachse, 2020). Nur wenn eine fruchtbare Kommunikation möglich wird, kann (mathematischer) Unterricht und damit die Auseinandersetzung mit der Sache gelingen. 

Die Beziehung zwischen Lehrkraft und Kind mit Unterstützungsbedarf ist sowohl durch eine erhöhte kognitive Differenz als auch durch mehr persönliche Nähe geprägt. Dabei ist das Kind meist auf mehr Unterstützung durch die Lehrkraft angewiesen, gleichzeitig muss sich die Lehrkraft im unterrichtlichen Verhalten mehr auf das Kind abstimmen (vgl. Speck, 2018, S. 321).