Sonderpädagogische Förderung im Schwerpunkt Geistige Entwicklung kann an allgemeinen Schulen im inklusiven Unterricht stattfinden, die laut AO-SF den empfohlenen Förderort darstellen (AO-SF, 2016, § 1), aber auch an Förderschulen mit dem Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung und Schulen mit dem Förderschwerpunkt Körperliche und motorische Entwicklung – dort in der Regel in Lerngruppen für Kinder bzw. Jugendliche mit komplexen Behinderungen. Einige dieser Schulen bieten inklusiven Unterricht an, indem sie sich für Kinder und Jugendliche ohne sonderpädagogischen Unterstützungsbedarf geöffnet haben und Klassen gemeinsamen Lernens einrichten, aber in der Regel sind sie auf eine spezifische, jedoch exklusive Förderung der Schülerschaft ausgelegt.
Dieser Abschnitt informiert über ausgesuchte Daten zum Schwerpunkt Geistige Entwicklung und führt nur einige wenige Vergleichsdaten an. Wenn Sie sich etwas eingehender über die Datenlage bei Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischer Förderung allgemein informieren möchten, können Sie in den Ausführungen zum Schwerpunkt Lernen im Abschnitt Definitionen und Daten ausgesuchte Befunde studieren.
Mit dem 16. Schulrechtsänderungsgesetz (geltend seit März 2022) wird in Nordrhein-Westfalen die "Schule für Kranke" in „Klinikschule" umbenannt (BASS, 2022). Da die im Folgenden genutzten Daten mit der alten Begrifflichkeit arbeiten, wird diese im Text beibehalten .
Sonderpädagogische Förderung im Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung in Deutschland
Die „Ausbildungsordnung Sonderpädagogische Förderung“ (AO-SF, 2016) verweist in § 2 Abs. 3 auf Besonderheiten der Beschulung im Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung. Die Schülerinnen und Schüler des Bildungsgangs werden zieldifferent unterrichtet, und zwar nicht nach den Richtlinien und Lehrplänen der allgemeinbildenden Schulen , sondern nach den besonderen Richtlinien des Bildungsgangs und auf der Grundlage individueller Förderpläne (AO-SF, 2016, §§ 38-41). Die Unterrichtsinhalte können (und sollten) an die Bedürfnisse und das Lernvermögen der Schülerinnen und Schüler individuell angepasst werden.
Die zieldifferente Unterrichtung führt zu einem gesonderten Schulabschluss, dem Abschluss des Bildungsgangs Geistige Entwicklung. Dieser reicht von der Primar- bis zur Berufsschule (Sekundarstufe II) (vgl. AO-SF 2016, § 9, Abs. 3). Die Schulpflicht umfasst 11 Jahre, sie kann jedoch unter Erwartung von Lernfortschritten bis zum 25. Lebensjahr verlängert werden (vgl. AO-SF 2016, § 9, Abs. 1; § 39). „Die Schülerin oder der Schüler erhält am Ende der Schulbesuchszeit ein Abschlusszeugnis, das die erworbenen Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten bescheinigt“ (AO-SF 2016, § 41, Abs. 3).
Wie viele Kinder und Jugendliche werden bundesweit im Schwerpunkt Geistige Entwicklung gefördert?
Im Schuljahr 2020/2021 wurden in Deutschland an allgemeinen Schulen und an Förderschulen insgesamt etwa 571.000 Schülerinnen und Schüler sonderpädagogisch gefördert (vgl. Tabelle unten und Lernen – Definitionen und Daten). Der Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung kam mit fast genau 100.000 Kindern und Jugendlichen auf einen Anteil von 17,5 %. Er war nach den Schwerpunkten Lernen und Emotionale und soziale Entwicklung der dritthäufigste Förderschwerpunkt in der Bundesrepublik, wie das folgende Kreisdiagramm (links) zeigt.
Sonderpädagogisch geförderte Schüler/innen an Schulen – Verteilung nach Förderschwerpunkten im Schuljahr 2020/2021 (KMK, 2022, S. XVII; eigene Darstellung ohne Schule für Kranke)
Wie hoch ist der Anteil der Schüler*innen an allgemeinen bzw. an Förderschulen?
Die folgende Abbildung gibt Antwort auf diese Frage, denn sie zeigt die Anzahlen und die relativen Anteile der Schülerinnen und Schüler mit Unterstützungsbedarf „Geistige Entwicklung“ in Förderschulen und allgemeinen Schulen in Deutschland im Schuljahr 2020/2021. Von den gut 100.000 Schülerinnen und Schülern im Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung wurden 14 % an allgemeinen Schulen unterrichtet und 86 % an Förderschulen.
Anzahlen und relative Anteile der Schülerinnen und Schüler mit Unterstützungsbedarf „Geistige Entwicklung“ in Förderschulen und allgemeinen Schulen in Deutschland im Schuljahr 2020/21 (KMK, 2022, S. 5, 12-19; eigene Darstellung)
Die inklusive Beschulung spielt bei Schüler*innen mit geistiger Behinderung folglich eine untergeordnete Rolle und sie findet vor allem an Grundschulen und an integrierten Gesamtschulen statt (Daten zu anderen Schwerpunkten finden Sie unter Lernen – Definitionen und Daten).
Sonderpädagogische Förderung im Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung in Nordrhein-Westfalen
Die Schülerzahlen und Inklusionsquoten unterscheiden sich nach Bundesländern. In Nordrhein-Westfalen wiesen im Schuljahr 2020/2021 etwas mehr als 143.000 Schülerinnen und Schüler sonderpädagogischen Unterstützungsbedarf auf, das entsprach einer Förderrelation von 7,46 % – nahe am bundesweiten Durchschnitt von 7,7 %. Es entfielen fast 24.000 Schüler*innen auf den Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung, das waren nahezu 17 % der Lernenden mit Förderbedarf in diesem Bundesland.
Sonderpädagogisch geförderte Schülerinnen und Schüler an Schulen des Landes Nordrhein-Westfalen – Verteilung nach Förderschwerpunkten im Schuljahr 2020/2021 (KMK, 2022b, S. 25, 53; eigene Darstellung ohne Schule für Kranke und ohne übergreifende Förderschwerpunkte)
Wie hoch ist der Anteil der Schüler*innen an allgemeinen bzw. an Förderschulen in NRW?
Der Hauptbeschulungsort lag – ähnlich den bundesweiten Verhältnissen – im Schuljahr 2020/2021 auch in Nordrhein-Westfalen in den Förderschulen. Diese besuchten 87 % der Kinder und Jugendlichen mit dem Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung, nur 13 % (N= 3126) der Schülerinnen und Schüler wurden an allgemeinen Schulen unterrichtet. Von diesen inklusiv beschulten Schülerinnen und Schüler gingen in Nordrhein-Westfalen 70% auf eine Grundschule, während in den Schulen der Sekundarstufe (bislang) nur ein geringer Anteil inklusiv beschult wird (vgl. Tabelle).
Anzahlen und relative Anteile der Schülerinnen und Schüler mit Unterstützungsbedarf „Geistige Entwicklung“ in Förderschulen und allgemeinen Schulen des Landes Nordrhein-Westfalen im Schuljahr 2020/21 (KMK, 2022b, S. 28, 68, 80, 86, 92, 98, 104) ; eigene Darstellung, zu „Vorschulen“, „freie Waldorfschulen“ und „schulartunabhängige Orientierungsstufen“ gibt es keine Angaben)
Wie stellt sich die Entwicklung der Schülerzahlen dar?
Bislang wurde das Schuljahr 2020/2021 als Momentaufnahmen im Querschnitt betrachtet, die Dynamik der Entwicklung gerät in den Blick, wenn man die Zahlen der zurückliegenden Jahre betrachtet. Die folgende Abbildung stellt die Entwicklung für den Zeitraum von 2011 bis 2020 für alle sonderpädagogisch geförderten Schüler*innen im Land Nordrhein-Westfalen und im Schwerpunkt Geistige Entwicklung dar, unterteilt nach allgemeinen Schulen und Förderschulen.
Entwicklung der Anzahlen der sonderpädagogisch geförderten Schüler*innen im Land Nordrhein-Westfalen (2011-2020) sowie im Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung unterteilt nach allgemeinen Schulen und Förderschulen (KMK, 2022b, S. 21, 28, 53, 56; eigene Darstellung)
Vergleicht man die Entwicklung der Anzahlen aller sonderpädagogisch geförderter Schüler*innen an Förderschulen mit denen an allgemeinen Schulen, zeigt sich im betrachteten Zeitraum ein gegenläufiger Trend: Während die Anzahl der Schüler*innen an Förderschulen von gut 97.000 (2011) auf knapp 81.000 (2020) fällt, verdreifacht sich die Anzahl der Kinder mit Förderbedarf an allgemeinen Schulen nahezu von knapp 23.000 (2011) auf fast 65.000 (2020) – ein deutlicher Anstieg um 43.000 Schülerinnen und Schüler.
Im Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung verläuft diese Entwicklung beschleunigt. An den Förderschulen sinken die Zahlen nicht, sondern sie steigen moderat von 19.000 in 2011 um etwa 10 % auf 21.000 im Jahr 2020 und sie vervierfachen sich nahezu an allgemeinen Schulen von gut 800 auf mehr als 3.100 Schüler*innen. Das entspricht einem Anstieg von 100 auf 371 %, wie die folgende Abbildung noch einmal verdeutlicht.
Anstieg der Schüler*innen mit dem Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung in den Jahren 2011 bis 2020 (Ausgangszahl im Jahr 2011 wird als 100% definiert) (KMK 2022b, 28, 56; eigene Darstellung)
Dennoch bleibt es im Schwerpunkt Geistige Entwicklung bei einer sehr hohen Quote von etwa 85 % für den Besuch von Förderschulen.Diese Entwicklungstrends sind auch bundesweit zu beobachten (weitere Daten zu den verschiedenen Schwerpunkten finden Sie im Teilmodul LINK Lernen – Definitionen und Daten).
Welche Orte sonderpädagogischer Förderung gibt es in NRW?
Orte sonderpädagogischer Förderung werden in § 20 des Schulgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen definiert (BASS, 2022). Sonderpädagogische Förderung findet an allgemeinen Schulen, Förder- und Klinikschulen statt. Gemeinsames Lernen kann an jeder allgemeinen Schule umgesetzt werden, außer es fehlt an entsprechender personeller und/oder sächlicher Ausstattung. Um dennoch ein flächendeckendes inklusives Schulangebot zu gewährleisten, kann ein Schulträger in Abstimmung mit der oberen Schulaufsicht allgemeine Schulen zu Schwerpunktschulen benennen und entsprechend ausstatten. An einer Schwerpunktschule werden neben den Förderschwerpunkten Lernen, Sprache und Emotionale und soziale Entwicklung mindestens ein weiterer Förderschwerpunkt (möglicherweise aber auch mehrere zusätzliche Förderschwerpunkte) unterrichtet. Schwerpunktschulen sollen durch ihre besondere Ausrichtung auch andere Nachbarschulen entsprechend unterstützen (vgl. BASS, 2022, SchulG § 20 (5) und (6)).