Abbildung 3 zeigt, dass eine unmittelbar verursachende Wirkung auf die Entwicklung sprachlicher Beeinträchtigungen bislang nur für biologische Faktoren nachgewiesen werden kann. Dies gilt für ausgesuchte genetische Faktoren und für bestimmte Hirnfunktionsstörungen.

Schaubild. In der Mitte Rechteck „Sprachentwicklungsstörung“. Drumherum 3 weitere Rechtecke angeordnet in Form eines Dreiecks. Oben: „Biologische Faktoren: Genetische Prädisposition, hirnorganische Faktoren, Hörbeeinträchtigungen“. Links unten: „Umwelteinflüsse: Sprachanregung und interaktives Förderpotential in der Familie, soziale Herkunft, Mediengebrauch“. Rechts unten: „Kognition: Auditive Informationsverarbeitung, Arbeitsgedächtnis“.

Abbildung 3: Bedingungsfaktoren für die Entwicklung von Sprachstörungen

Genetische Faktoren werden makroanalytisch untersucht, indem man die familiäre Häufung von Sprachentwicklungsstörungen in Stammbaumanalysen dokumentiert und indem man in Zwillingsstudien die Entwicklung von genetisch gleich veranlagten Menschen untersucht, die in gleichen oder unterschiedlichen Umwelten aufwachsen. Mikroanalytisch werden Familien- und Zwillingsstudien durch molekulargenetische Untersuchungen ergänzt, die bereits vermeintliche Genorte auf verschiedenen Chromosomen lokalisieren können (vgl. Neumann et al. 2009; Schecker et al., 2007; Suchodoletz, 2013).

Aus pädagogischer Sicht ist in diesem Zusammenhang wichtig zu wissen, dass eine entsprechende genetische Prädisposition die Wahrscheinlichkeit für die Ausbildung einer Sprachstörung zwar erhöht, dass das Auftreten im Einzelfall aber keineswegs vorbestimmt ist. Alle Prädispositionen entwickeln sich im individuellen Verlauf im Rahmen von Umwelteinflüssen, denen eine bedeutsame hemmende bzw. verstärkende Wirkung zukommt (vgl. Suchodoletz 2013). Das gilt auch und insbesondere für die schulische Umwelt, die mehr oder weniger förderlich gestaltet sein kann (Teilmodul Unterricht).

Hirnorganische Vorschädigungen (z.B. durch Frühgeburt) und körperlich bedingte Hörbeeinträchtigungen werden in der Fachliteratur häufig als biologische Faktoren herausgestellt, die den Sprachentwicklungsverlauf nachhaltig hemmen können (vgl. Suchodoletz, 2013, S. 20). Auch wenn sie relativ selten vorkommen, sollte ihnen im Einzelfall große pädagogische Aufmerksamkeit geschenkt werden. Der Einfluss ungünstiger körperlicher Dispositionen kann nämlich im individuellen Entwicklungsverlauf von den jeweils gegebenen Umweltbedingungen gehemmt oder verstärkt werden (vgl. Suchodoletz, 2013).

Dies trifft auch auf die Entwicklung sprachlich-kommunikativer Kompetenzen von Schülerinnen und Schülern mit Hörschädigungen und/oder Beeinträchtigungen der geistigen Fähigkeiten zu. Wie die schulische Umwelt in diesem Zusammenhang entsprechend förderliche Bedingungen bereitstellen kann, können Sie in den Förderschwerpunkten Geistige Entwicklung (in Vorbereitung) und Hören und Kommunikation (in Vorbereitung) erfahren, im Teilmodul Unterricht finden Sie Anregungen zur sprachsensiblen Gestaltung von Lernumgebungen .