Die Sprache ist im Mathematikunterricht einerseits wichtiger Lerngegenstand, denn zum Erlernen von Mathematik gehört der Erwerb fachsprachlicher Begriffe. Andererseits ist die Sprache im Mathematikunterricht zentrales Mittel der Verständigung, denn mathematische Sachverhalte werden vor allem mittels Sprache dargestellt und erklärt, analysiert und diskutiert. 

Für viele Kinder stellen die sprachlichen Anforderungen im Unterricht Barrieren dar. Dies gilt in besonderer Weise für Kinder mit sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf im Bereich Sprache und Kommunikation, auch dann, wenn sie zielgleich unterrichtet werden. Oftmals verstehen sie Gesprochenes und Geschriebenes nur sehr unzureichend. Manche Kinder vermeiden nach negativen Erfahrungen das Sprechen und bringen sich eher selten spontan in den Unterricht ein. Auch im Mathematikunterricht sollte Sprache und Kommunikation ein hoher Stellenwert beigemessen werden. Die Lehrkraft sollte durchgängig auf geplante Versprachlichung achten und als sprachliches Vorbild fungieren, denn ein sprachsensibel gestalteter Unterricht steigert die Qualität und Lernwirksamkeit von Unterricht insgesamt - und zwar für alle Schülerinnen und Schüler. 

Günstige äußere Bedingungen, insbesondere eine gute Raumakustik und ein niedriger Geräuschpegel erleichtern die sprachliche Verständigung im Klassenzimmer. Teppiche und Vorhänge reduzieren die Nachhallzeit. Eine offene Sitzordnung in L- oder U-Form ermöglicht den Blickkontakt untereinander, der die sprachliche Verständigung unterstützt. Ein geringer Abstand zwischen den Sprechenden und den Zuhörern erleichtert die Verständigung. Ein Arbeiten in verschiedenen Räumen kann den Schallpegel senken (Reber & Schönauer-Schneider 2017, S. 29).

Mindestens so wichtig wie die äußeren Bedingungen im Klassenraum sind die inneren Bedingungen im Unterricht. Kinder brauchen ein kommunikatives Milieu: Sie sollten immer wieder zum Reden ermutigt und für ihre sprachlichen Äußerungen gelobt werden. Das gilt zwar grundsätzlich für alle Lernenden, aber bei Unterstützungsbedarf im Bereich Sprache und Kommunikation in besonderer Weise, denn viele sprachlich beeinträchtigte Kinder leiden unter starken Sprechängsten. Es empfehlen sich angstreduzierende Maßnahmen, etwa

  • das Kind nicht zum Sprechen zwingen,
  • das Kind als Teil der Klasse an allen Aktivitäten teilnehmen lassen,
  • neben sprachlich aktivierenden Aktivitäten bewusst auch nonverbale Aktivitäten zur Entlastung und Entspannung einsetzen,
  • Kontakte mit anderen Kindern anregen und fördern,
  • durch spielerische Phasen, Entspannungsübungen und Imaginationstechniken für Entlastung sorgen (vgl. Katz-Bernstein, 2011, S. 218).

Auch wenn die spontane Sprechfreude durch nicht zu sehr regulierende Maßnahmen gefördert und unterstützt werden sollte, sind einfache und klare Regeln zum Sprechen und Zuhören in der Klassengruppe hilfreich (vgl. Reber & Schönauer-Schneider 2017, S. 30), wie 

  • Ich melde mich.
  • Ich spreche langsam und deutlich.
  • Ich bin leise.
  • Ich schaue den Sprecher an.
  • Ich höre gut zu.
  • Ich denke mit.

Regeln wie diese können mit den Kindern erarbeitet und als gemeinsame Vereinbarungen im Klassenzimmer fixiert werden.

Fachliches und sprachliches Lernen im inklusiven Mathematikunterricht

Unterricht im Schwerpunkt Sprache berücksichtigt einerseits fachliche Ziele, andererseits auch die individuellen sprachlichen Unterstützungsbedarfe, die in individuellen Lern- und Entwicklungsplänen festgehalten sind. Bei der Planung des inklusiven Mathematikunterrichts stellen sich also zusätzlich zu den mathematikdidaktischen Fragen auch sprachdidaktische Fragen wie diese (Reber & Schönauer-Schneider, 2017, S. 24):

  • Welche sprachlichen Auffälligkeiten führen in der geplanten Stunde zu Lernbarrieren und wie können diese abgebaut werden?
  • Welche Medien werden benötigt bzw. wie müssen diese zur Beseitigung von Barrieren adaptiert werden?
  • Welche Methoden und Unterrichtsformen eignen sich?
  • Wie kann spezifische Sprachförderung im fachlich ausgerichteten Unterricht realisiert werden?

Wer sich weiterführend mit der individuellen Diagnose und der spezifischen Sprachförderung im Rahmen von Schule und Unterricht auseinandersetzen möchte, findet hilfreiche Informationen in der Fachliteratur, vor allem in den Lehrbüchern von Reber und Schönauer-Schneider (2017; 2018) oder Lüdge und Stitzinger (2017)

sowie in einem Artikel von Wölki-Paschvoss (2018), in dem dargestellt wird, wie neben dem fachlichen auch der sonderpädagogische Blick bei der Planung von inklusivem Mathematikunterricht berücksichtigt werden kann. Hier der Link zum Artikel: "Auf die Brille kommt es an"

Wir stellen im Folgenden ausgesuchte Methoden der integrierten Sprachförderung vor, die sich für den Einsatz im inklusiven Mathematikunterricht anbieten.

Lehrersprache als Mittel der fachlichen und sprachlichen Unterstützung im Unterricht

Das generelle und zentrale Instrument der unterrichtsintegrierten sprachlichen Förderung ist die Lehrersprache. Gute Lehrersprache kann als Grundbedingung für erfolgreiches Unterrichten gesehen werden, denn sie dient der Vermittlung von Lerninhalten und zugleich der gesamten Klasse als sprachliches Modell. Ein gutes sprachliches Modell wirkt präventiv, denn die Vorgabe korrekter sprachlicher Äußerungen hilft allen Kindern Fehler zu vermeiden und entlastet insbesondere Kinder mit Sprachentwicklungsschwierigkeiten. Reber und Schönauer-Schneider (2017, S. 42 und 2018, S. 44-46) haben einige Merkmale kommunikativ dienlicher Lehrersprache erläutert, die hier gekürzt zusammengefasst werden:

  • Blickkontakt als emotionale Brücke zwischen Lehrperson und Kind und um sicher zu stellen, dass Mimik und Gestik sowie Mundbilder (Artikulationsstellungen) vom Kind wahrgenommen werden können,
  • klare, lautreine und nicht zu schnelle Artikulation,
  • kräftiges und gut moduliertes Sprechen,
  • langsames und variables Sprechtempo sowie Einsatz von Sprechpausen, um Monotonie vorzubeugen oder um Phrasengrenzen zu markieren,
  • bewusster Einsatz von Mimik und Gestik, mit der die gesprochene Sprache unterstützt wird,
  • bewusste Wiederholung und Akzentuierung von wichtigen Wörtern, Satzteilen und Sätzen,
  • kurze und grammatisch einfache Sätze,
  • Einsatz von Impulstechniken (Sachimpulse, verbale / nonverbale Impulse),
  • bewusster Einsatz von geschlossenen und offenen Fragen („Ist das eine gerade Zahl?“ vs. „Was weißt du über gerade Zahlen?“), um sprachlich leichte Kurzantworten zuzulassen oder längere Antworten zu provozieren

Die sprachliche Unterstützung sollte im inklusiven Mathematikunterricht nicht als kurzzeitige Intervention angelegt werden, sondern als kontinuierliche, in den Unterricht integrierte Unterstützung, denn die sprachliche Entwicklung verläuft über die gesamte Schulzeit und darüber hinaus.

Erläuterung von Aufgaben und Arbeitsaufträgen

Eine häufige kommunikative Hürde stellt für viele Schülerinnen und Schüler, insbesondere für Kinder mit Unterstützungsbedarf im Bereich Sprache und Kommunikation, die Erläuterung von Aufgaben oder Arbeitsaufträgen durch die Lehrkraft dar. Reber und Schönauer-Schneider (2017, S. 35) empfehlen eine kommunikativ bewusst gestaltete und ritualisiert ablaufende Präsentation, die den Lernenden Orientierung gibt und die sich bei Sprachschwierigkeiten bewährt hat:

  • Aufmerksamkeit sichern

Die Lehrkraft nimmt eine zentrale und gut sichtbare Position im Raum ein, signalisiert durch ihre Körperhaltung und eventuell durch ein akustisches Signal ihre Redeabsicht, nimmt mit allen Lernenden Blickkontakt auf und wartet ab, bis es ausreichend ruhig ist.

  • Aufgabe stellen, Arbeitsauftrag erteilen

Die Lehrkraft spricht langsam, laut und deutlich und betont wichtige Wörter. Sie verwendet einfache und relativ kurze Sätze. Sie visualisiert Handlungsschritte durch Piktogramme und durch Handzeichen und Handlungen (sie zeigt zum Beispiel parallel zum Sprechen auf die Piktogramme und visualisiert zur Transparenz der Reihenfolge der Arbeitsschritte die Zahlen mit den Fingern).

  • Verständnis sichern

Einige Lernende wiederholen und erläutern die Aufgabe bzw. den Arbeitsauftrag mit ihren Worten und verweisen ggfs. auf die passenden Piktogramme. Die anderen Schüler fragen nach, auch die Lehrkraft stellt eventuell gezielte Fragen zu schwierigen Aufgabenaspekten oder Handlungsschritten.

  • Arbeitsphase starten

Alle Lernenden nehmen auf ein optisches oder akustisches Signal hin die Arbeit auf. Die Lehrkraft lobt gutes Arbeitsverhalten und Teillösungen und sie hilft einzelnen Lernenden bei Schwierigkeiten.

Sprachliches Modellieren

Kinder und Jugendliche mit Sprachentwicklungsstörungen erleben das Sprechen vor anderen oft als sehr belastend und äußern sich nur ungern im Unterricht. Wenn die Lehrkraft im Unterrichtsgespräch immer wieder und ausdrücklich korrigiert, kann dies dazu führen, dass sich die betroffenen Lernenden immer mehr zurückziehen und den sprachlichen Austausch zunehmend meiden. Es ist deshalb viel besser, wenn sich die Lehrkraft verhält wie Eltern bei Kleinkindern und eine fehlerhafte sprachliche Äußerung fehlerfrei wiederholt, also nicht explizit, sondern eher beiläufig korrigiert. Man nennt dies nachfolgendes Modellieren (Reber & Schönauer-Schneider 2017, S. 43), weil die Lehrkraft sich nach dem Kind äußert und den Fehler durch die Vorgabe eines korrekten sprachlichen Modells korrigiert. Die Lehrkraft könnte auch vorausgehend modellieren, sich also vor dem/der Lernenden äußern und durch die Vorgabe eines korrekten sprachlichen Modells möglichen Fehlern vorbeugen. 

Oben „Sprachliche Modellierungstechniken“. Von dort ausgehend zwei Pfeile zu zwei Rechtecken. Links: „Prävention durch vorausgehendes Modellieren“, rechts: „Intervention durch nachfolgendes Modellieren“. Darunter Tabelle mit zwei Spalten und zwei Zeilen. Spalte links: Zeile 1: „Alternativfrage“, darunter „Lehrperson: „Ist das eine gerade oder eine ungerade Zahl?““ Zeile 2: „Präsentation“, darunter „Lehrperson: „Die Fünf passt viermal in die Zwanzig.““ Rechte Spalte: Zeile 1: „Korrektives Feedback“, darunter „Kind: „Gerade Zahl das ist.“ Lehrperson: „Richtig, das ist eine gerade Zahl.““ Zeile 2: „Erweiterung“, darunter „Kind: „Fünf vier.“ Lehrperson: „Richtig, die Fünf passt viermal in die Zwanzig.““
Sprachliche Modellierungstechniken zur Prävention und Intervention (geändert nach Reber & Schönauer-Schneider 2017, S.43)

Unterschiedliche Zugänge nutzen und verknüpfen

Da Sprachproduktion und Sprachrezeption mehrdimensional und auf verschiedene Art und Weise – durch Hören, Sprechen, Lesen, Schreiben und Wahrnehmen – geschehen, kann die Nutzung verschiedener Darstellungsformen Lernbarrieren entgegenwirken und eventuell fehlende kommunikative Mittel ausgleichen (vgl. Lüdtke & Stitzinger 2017, S. 23). 

Viele Schülerinnen und Schüler können mit Hilfe von Material mathematische Sachverhalte leichter erläutern. Das Verständnis von Aufgabenstellungen wird unterstützt, wenn verbale Erklärungen visuell ergänzt werden. Das Nachvollziehen von Rechengeschichten ist leichter, wenn sie nicht nur gelesen, sondern auch gehört, aufgemalt oder nachgespielt werden. 

Eine solche Nutzung verschiedener Darstellungen und Repräsentanten sowie das aufeinander beziehen und miteinander vernetzen spielen beim Mathematiklernen grundsätzlich und für alle Lernenden eine wichtige Rolle, nicht nur im Hinblick auf einen sprachförderlichen Unterricht.

Schaubild „Darstellungswechsel“. Zwei große Rechtecke untereinander. In den Rechtecken befinden sich jeweils kleinere weiße Rechtecke, in denen jeweils ein blaues Rechteck mit einer Aufschrift enthalten ist. Oberes Rechteck: Überschrift: „Ebene der eher konkreten Repräsentanten“, Aufschrift in den blauen Rechtecken von links nach rechts: „Bilder“, „Handlungen und Objekte“ und „Situationen, Geschichten und Erklärungen“. Unteres Rechteck: Überschrift: „Ebene der eher symbolisch-abstrakten Repräsentanten“. Aufschrift in den blauen Rechtecken von links nach rechts: „Sprachliche Symbole (fünf, gleich, plus, drei plus zwei, …)“, „Schriftliche Symbole (5, =, +, 3 + 2, …)“. Von der oberen Seite der blauen Rechtecke zeigt jeweils ein Pfeil auf die linke Seite desselben blauen Rechtecks. Die weißen Rechtecke in einer Ebene sind mit blauen Doppelpfeilen miteinander verbunden. Die weißen Rechtecke der unterschiedlichen Ebenen sind jeweils mit grünen Doppelpfeilen verbunden.
Modell Darstellungswechsel (Schulz 2018, S. 6)

Tipp: Weitere Hinweise zur Verwendung unterschiedlicher Darstellungsformen finden Sie zum einen unter der Rubrik Leitideen in Modul Aufgaben adaptieren → Unterschiedliche Darstellungen nutzen, zum anderen beim Partnerprojekt PIKAS unter Modul 3.2 „Guter Umgang mit Darstellungsmitteln“.


Durch die Verbindung einer Handlung mit gesprochener Sprache wird eine innere Sprache entwickelt, die als Selbstinstruktion bei der Ausführung einer Aufgabe dienen kann (vgl. Reber & Schönauer-Schneider 2018, S. 59). Das sogenannte handlungsbegleitende Sprechen hat somit eine zentrale Bedeutung für das Lernen (siehe auch Nutzen verschiedener Darstellungen und Vernetzen dieser). Die Lehrkraft kann - insbesondere bei Schülerinnen und Schüler mit Unterstützungsbedarf in Sprache und Kommunikation - zunächst modellhaft handlungsbegleitendes Sprechen demonstrieren, indem sie die von den Schülerinnen und Schülern ausgeführten Handlungen sprachlich begleitet und die Lernenden danach ermuntert, das handlungsbegleitende Sprechen zunehmend selbst zu übernehmen. 

Sprachliche Modifikation von Aufgabenstellungen

Wann immer möglich, sollten die Lernenden an gemeinsamen Aufgabenstellungen mit verschiedenen Lernzielen (siehe auch LINK Unterrichtsplanung GL / Übergreifendes) arbeiten. Aufgaben, die nur in Textform gestellt werden, sind sprachlich schwer zu verstehen und erfordern hohe Lesekompetenz. Solche Aufgaben können durch bewusste sprachliche Modifikation erleichtert werden. Ziel sollte sein, den mathematischen Gehalt einer Aufgabe beizubehalten, zugleich jedoch die Anforderungen an das Sprachverständnis beim Hören oder Lesen eines Textes zu reduzieren.


Im folgenden Beispiel wird die Bearbeitung von Textaufgaben erleichtert, indem man sie mit Bildmaterial verknüpft. 

Zeichnung mehrere Kinder in einem Garten. Ein Kind pustet Kerzen auf einem Kuchen aus. 3 von 6 Kerzen sind aus. Ein weiteres Kind trägt eine Flasche mit Limonade und Gläser auf einem Tablett. 3 von 5 Gläsern sind gefüllt. Ein anderes Kind spielt Dosenwerfen. 2 von 7 Dosen liegen auf dem Boden. Ein Mädchen lässt Luftballons an einer Schnur platzen. 2 von 8 Luftballons sind kaputt. Ein Junge hat einen Teller fallen lassen. Einer von 5 Tellern ist kaputt.

Die bildlich dargestellte Situation lässt verschiedene mathematische Fragen zu und kann so Anlass für verschiedene mathematische Überlegungen und Aktivitäten sein, die sprachlich mehr oder weniger anspruchsvoll sind.

  • Die Lehrkraft kann die Kinder das Bild betrachten und beschreiben lassen und fragen, welche möglichen Rechengeschichten sie im Bild erkennen können. Diese Rechengeschichten können dann im Unterricht bearbeitet werden. Bei solchen Aktivitäten rücken das Erzählen und Zuhören in den Vordergrund und das Lesen tritt in den Hintergrund (vgl. Mayer 2007, S. 40), während der mathematische Gehalt der Aufgabe im Unterrichtsgespräch thematisiert werden kann.
  • Die Lehrkraft kann gezielt Fragen zum Bild stellen, auf deren Beantwortung sich die Kinder konzentrieren können: Wie viele Kinder sind auf der Gartenparty? Wie viele Kerzen sind auf dem Kuchen? Wie viele Dosen sind stehen geblieben? Wie viele Luftballons waren es am Anfang? (…) Fragen wie diese können mündlich oder schriftlich gestellt werden, je nach Lesekompetenz bzw. je nachdem, welche sprachlichen Kompetenzen die Lehrkraft im Unterricht integriert fördern möchte.

Bei schriftlichen Aufgabenstellungen erschweren Leseprobleme vielen Lernenden das Sach- und Sprachverständnis. In solchen Fällen empfiehlt sich die gezielte Modifikation von Texten zur Sicherung des Leseverständnisses. 

Wie kann man Lesetexte vereinfachen? Hier finden Sie einige Tipps (ausführlicher bei Reber & Schönauer-Schneider, 2017, S. 36-37): 

  • zeitliche Abfolgen von Handlungen im Text linear darstellen, nicht durch indirekte Informationen oder durch Vorschau oder Rückblende, 
  • wenig geläufige Wörter durch geläufige Wörter oder durch Bilder ersetzen bzw. Wort-Bild-Kombinationen anbieten,
  • kurze Hauptsätze bevorzugen, Nebensätze nur in einfachen Satzkonstruktionen verwenden, 
  • im Präsens und direkter Rede schreiben, 
  • Eigennamen anstatt Personalpronomen verwenden, 
  • Bezeichnungen beibehalten, nicht variieren,
  • Zeilenumbrüche an geeigneter Stelle einsetzen, um die Sinnentnahme zu unterstützen.

Aufgabe

Beurteilen Sie bitte die folgende Rechengeschichte: Ist sie eher leicht oder eher schwer zu verstehen? 

Tina und Tim konnten bereits 69 km zurücklegen. Sie waren in Bochum eingestiegen und haben den Zug nun in Köln verlassen. „Wie weit müssen wir noch fahren?“, fragt der Junge. „Zum Schluss warten noch 6 km mit dem Bus auf uns,“ stöhnt seine Freundin, „aber zunächst sind es noch 17 km mit der Bahn.“ „Prima,“ bekommt sie zur Antwort, „und wie lang ist unsere Fahrstrecke heute insgesamt?“

Haben Sie Ideen, wie man den Text vereinfachen kann? Wenn Sie die o.g. Kriterien berücksichtigen, können Sie bestimmt eine Textvariante erstellen, die leichter zu erlesen und leichter zu verstehen ist.

Eine sprachlich besonders einfache Textanpassung könnte so aussehen:

Tina und Tim sind in Bochum in den Zug eingestiegen. 

Sie sind 69 km gefahren. Sie haben den Zug in Köln verlassen. 

Tim fragt: „Wie weit müssen wir noch fahren?“ 

Tina antwortet: „Wir müssen noch 17 km mit dem Zug fahren. Danach müssen wir noch 6 km mit dem Bus fahren.“ 

Tim fragt: „Wie lang ist die Fahrtstrecke heute insgesamt?“

Die Bearbeitung schriftlich gegebener Aufgabe kann im Unterricht systematisch unterstützt werden, indem Texte zunächst gemeinsam, erst danach individuell gelesen werden.

Bei der inhaltlichen Erschließung des Textes kann ein sog. Leseplan eingesetzt werden. Dieser hält zu einer schrittweisen Erarbeitung an und hilft, eine Skizze und einen Rechenplan zu erstellen (Prediger, Selter, Hußmann & Nührenbörger, 2017, S. 43):

Beispiel eines Leseplans. „1) Text lesen, 2) Was ist gesucht? Frage auf Karte schreiben, 3) Was ist gegeben? Informationen in eigenen Worten auf Karten schreiben, 4) Zusammenhänge? Informationskarten legen und mit Pfeilen verbinden.“ Darunter 3 Rechtecke mit Kilometerständen: 69 km, 17 km und 6 km. Die Rechtecke sind oberhalb mit Pfeilen von links nach rechts verbunden. „5) Fehlende Informationen berechnen. 69 km + 17 km + 6 km = 92 km. 6) Ergebnis überprüfen. Antwort und Frage abgleichen.“

Sprachbildungsmaterial ab Jahrgangsstufe 5 finden Sie in Mathe sicher können, einem Diagnose- und Förderkonzept zur Sicherung mathematischer Basiskompetenzen im 5.-8. Schuljahr – vor allem im Förderbaustein „Umgang mit Textaufgaben“ in den Förderbausteinen zum Sachrechnen (Prediger, Selter, Nührenbörger, & Hußmann, 2017, S. 68-81). Ausgewählte Materialien sind auch online verfügbar, wie der genannte Förderbaustein und weitere Anregungen.

Sollte die Lehrkraft grundsätzlich sprachlich vereinfachte Aufgabenstellungen verwenden? Wenn Sie Ihre oder unsere Textvereinfachung mit dem Ausgangstext vergleichen, werden Sie feststellen, dass der vereinfachte Text inhaltlich zugänglicher ist und dass sich mögliche mathematische Fragestellungen leichter herausarbeiten lassen. Sie werden jedoch auch gemerkt haben, dass Sie sich bei der Vereinfachung eines Textes hinsichtlich Wortwahl, Satzaufbau und Gedankenführung stark einschränken müssen. Der Ausgangstext ist nicht nur schwieriger, sondern auch sprachlich vielfältiger und er bietet mehr Anlass zum Nachdenken, gerade weil er nicht so leicht zu erschließen ist. Ein vereinfachter Text gewinnt folglich an Verständlichkeit, aber er verliert an sprachlicher Vielfalt und an kognitiver Herausforderung. Es ist deshalb ratsam, Texte nur dann zu vereinfachen, wenn dies nötig ist, damit alle Lernenden an einer gemeinsamen Aktivität arbeiten können. Es ist jedoch nicht ratsam, grundsätzlich und für alle Lernenden nur einfache Textvarianten zu verwenden. Wer kann, darf und sollte mit Texten arbeiten, die auf dem jeweils individuellen Sprach- und Verständnisniveau herausfordernd sind.

Wie im Teilmodul Hintergrund dargestellt, können die Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf Sprache aufgrund ihrer Schwierigkeiten auf der semantisch-lexikalischen Ebene im Umgang mit Fachbegriffen Schwierigkeiten haben. Wenn im Mathematikunterricht fachsprachliches Wissen vermittelt wird, werden die Kinder unterschiedliche Begriffe benutzen. Die Lehrkraft sollte darauf achten, dass die Mehrdeutigkeit von Begriffen bzw. die gleiche Bedeutung unterschiedlicher Begriffe (addieren, plus, dazugeben) ausdrücklich und in einem verständlichen Verwendungskontext thematisiert wird. Fachbegriffe müssen bewusst einführt und erklärt und korrekt und konsistent verwendet werden, man sollte im Unterrichtsgespräch möglichst nicht zwischen verschiedenen Begriffen wechseln. 

Wortspeicher

Um mit den Lernenden die für den Mathematikunterricht wichtigen sprachlichen Mittel zu erarbeiten, bieten sich sogenannte Wortspeicher an (vgl. Götze 2015, S. 34). Das sind Merkzettel, auf denen fachlich wichtige Begriffe, Satzbausteine und Satzbaumuster geordnet dargestellt und visuell oder verbal erklärt sind, so dass sie jederzeit nachgelesen werden können. Weil solche Wortspeicher für nahezu alle Schülerinnen und Schüler einer Klasse hilfreich sind, sollten sie mit der gesamten Klasse erarbeitet und auf einem Plakat ausgestellt werden. 

Für Lernende mit Unterstützungsbedarf im Bereich Sprache ist ein Wortspeicher von besonderer Bedeutung, da sich die Speicherung neuer Begriffe im sog. Mentalen Lexikon häufig nur verlangsamt vollzieht. Die Möglichkeit, neu erarbeitete Begriffe oder Formulierungen im Wortspeicher nachzulesen hilft, über den visuellen Zugang deren Verankerung zu unterstützen. In der Lerngruppe gemeinsam erstellte Wortspeicher können darüber hinaus für einzelne Kinder individuell modifiziert werden.

Zeichnung einer Lehrerin und 3 Kindern. Ein Kind zeigt auf ein Plakat mit der Aufschrift „Unser Wortspeicher“. Zwei andere Kinder sitzen an einem Tisch und bearbeiten Aufgaben.

Bei der Erstellung eines Wortspeichers sollte die Lehrkraft im ersten Schritt den von den Schülerinnen und Schülern verwendeten Wortschatz beobachten, aufgreifen und in den gemeinsamen Wortspeicher aufnehmen (vgl. Götze 2015, S. 34); denn wenn der tatsächliche Wortschatz der Lernenden den Ausgangspunkt der sprachlichen Arbeit bildet, lässt sich Überforderung vermeiden. Zugleich entsteht eine sprachliche Grundlage für die Erweiterung des Wortschatzes durch eingeführte Fachbegriffe und gemeinsam geteilte sprachliche Vereinbarungen, welche die Kommunikation in der Lerngruppe erleichtern (Reber & Schönauer-Schneider 2018, S. 61).


Erstellung und Nutzung eines Wortspeichers (vgl. Götze 2015, S. 34-35) 

  • Als erstes beschreiben die Schülerinnen und Schüler den Unterrichtsgegenstand mit ihren eigenen Worten und Möglichkeiten.
  • Die Lehrkraft notiert passende Alltagsbegriffe, Fachbegriffe und Satzphrasen der Lernenden.
  • Durch Vorlesen und Vergleichen von Beschreibungsversuchen wird verdeutlicht, dass die Kenntnis richtiger Wörter wichtig ist.
  • Die Lehrkraft greift mathematisch relevante Fachbegriffe und Satzphrasen auf (von der Alltags- zur Fachsprache).
  • Im weiteren Unterricht wird der Wortspeicher immer wieder benutzt und bei Bedarf aktualisiert.
  • Wortspeicher auf Plakaten dienen der Klassengruppe zur Orientierung und als gemeinsame sprachliche Grundlage, persönliche Wortspeicher in den Arbeitsheften der einzelnen Kinder können individuell nützliche Wörter listen und erklären.
  • Die Wortspeicherplakate werden aufbewahrt und in geeigneten Unterrichtsphasen (z. B. bei Wiederholungen) erneut verwendet.

Tipp: Weitere ausführliche Hinweise zur Nutzung und Einführung eines Wortspeichers finden Sie bei unseren Partnerprojekten PIKAS im Haus 4: Sprachbildung und bei Primakom im Modul Sprachförderung.


Diagnosegeleitete Unterstützung und inklusiver Mathematikunterricht für alle Lernenden

Sprachlich kompetente Lehrkräfte können den Sprachstand ihrer Schülerinnen und Schüler einschätzen und die sprachlichen Anforderungen im Unterricht sowie ihre Sprache und ihr Sprechen an die verschiedenen Inhalte des Unterrichts und an die sprachlichen Fähigkeiten der Schülerinnen und Schüler anpassen (vgl. Reber & Schönauer-Schneider 2018, S. 44). Eine solche diagnostisch fundierte und differenzierte Unterstützung ist zentral für Kinder mit erheblichem Unterstützungsbedarf. Im Projekt Mathe inklusiv mit PIKAS finden Sie didaktische Überlegungen und praktische Beispiele unter der Leitidee diagnosegeleitet fördern:

Zum einen wird die Auswahl von Aufgaben erörtert, die als Diagnoseaufgaben und Förderaufgaben geeignet sind, um mathematische Kompetenzen zu diagnostizieren und deren Entwicklung zu fördern. Zum anderen wird gezeigt, dass im inklusiven Mathematikunterricht spontane Diagnosemomente und Fördermomente miteinander verschränkt sind. Sie können durch geschicktes Nachfragen oder gezielte Impulse während der Arbeitsphasen angeregt werden, die nicht selten in Diagnosegespräche und Fördergespräche münden. In solchen Gesprächen sind umfassende Erkenntnisse zu den Denkweisen und Fortschritten der Lernenden zu gewinnen, auf deren Grundlage Fördermaßnahmen entwickelt werden können.

Sprachdiagnostische Daten können mit Lernstandsdiagnosen aus unterrichtsrelevanten Tests kombiniert werden und im Abgleich mit individuellen Kompetenzerwartungen in verschiedenen Entwicklungsbereichen zu einer Lern- und Entwicklungsplanung integriert werden, welche die gezielte und systematische Förderung im zeitlichen Verlauf und die Zusammenarbeit von Lehrkräften, Eltern und weiteren Experten regelt.

Hinsichtlich möglicher diagnose- und fördergünstiger Unterrichtsorganisation nimmt neben einer Einzel- oder Kleingruppenförderung die unterrichtsintegrierte Förderung im Rahmen des inklusiven Unterrichts den größten Teil der Lehrertätigkeit im Bereich der diagnosegeleiteten Förderung ein.


Sprache ist im Mathematikunterricht zentrales Mittel der sozialen und fachlichen Verständigung, denn mathematische Sachverhalte werden gemeinsam erschlossen, sprachlich erörtert und sprachlich erklärt. Ein sprachsensibel bzw. sprachlich unterstützend gestalteter Mathematikunterricht dient allen Lernenden. Die in diesem Teilmodul umrissenen Strategien und Methoden passen zwar gut zum Unterstützungsbedarf von sprachentwicklungsverzögerten Kindern, aber alle Kinder einer Klasse profitieren von einem solchen Unterricht, weil dieser durch die Anpassungen an Verständlichkeit gewinnt.