Schaubild: In der Mitte Rechteck „Förderbereich Sprache“, davon gehen Linien zu vier weiteren Rechtecken mit folgenden Überschriften: „Wortschatz und Begriffsbildung“, „Ausdrucksfähigkeit“, „Sprachverständnis“, „Nutzen alternativer Kommunikationsmöglichkeiten“.

Abbildung 6 Beispielhafte Entwicklungsbereiche  des Förderbereichs  Sprache, die für den Mathematikunterricht relevant sind

Kinder und Jugendliche mit Unterstützungsbedarf im Bereich der körperlichen und motorischen Entwicklung zeigen auch Probleme in der expressiven Sprache, wenn die Mundmotorik betroffen ist. Im Unterrichtsfach Mathematik macht sich dies insbesondere bei den prozessbezogenen Kompetenzen (Problemlösen und kreativ sein, Modellieren, Argumentieren, Darstellen und Kommunizieren) bemerkbar, bei denen es unter anderem auch um Argumentieren und Begründen geht. Ein sprachbeeinträchtigtes Kind verfügt meist über einen geringeren Wortschatz. Auf Grund der geringeren motorischen Bewegungserfahrungen sind Präpositionen als Raum-Lage-Beziehungen inhaltlich nicht klar. Des Weiteren bedeutet die verminderte Mundmotorik neben einer undeutlichen Aussprache oft auch eine vermehrte Anspannung, so dass das Kind für die verbalen Aussagen oft längere Zeit benötigt und diese deshalb teilweise auf Ein-Wort-Sätze begrenzt. Während Erwachsene durchaus in der Lage sind, aus undeutlich artikulierten Worten das eventuell Gemeinte zu erschließen bzw. durch Nachfragen in Erfahrung zu bringen, können Mitschüler und Mitschülerinnen dies nicht, da sie sich selbst noch im Lernprozess befinden und das Nachvollziehen von Begründungen erst noch lernen müssen. Sind diese unvollständig, fragmentarisch und schlecht artikuliert, so ist ein Verständnis nicht mehr möglich. Ein Kind mit körperlich-motorischen Beeinträchtigungen kann in diesem Fall ohne die Unterstützung eines Talkers oder die Unterstützung eines erwachsenen „Übersetzers“ nicht in die Diskussionsrunde integriert werden.


 Weitere Informationen zum Bereich Sprache und Unterstützte Kommunikation im Mathematikunterricht können auf der Seite Unterricht nachgelesen werden.


Eine Beeinträchtigung der Mundmotorik bedeutet oft Probleme bei der Lautbildung. Bei Tobias sind die Zahlwörter für die Zahlen 1, 2, 3 (werden jeweils mit dem Laut „[a]“ wiedergegeben) genauso wenig zu unterscheiden wie für 4 und 7 (werden beide durch den Laut „[i}“ wiedergegeben). Einzelne Aufgaben sind daher sprachlich wesentlich schwieriger zu lösen als mathematisch, was im folgenden Gespräch deutlich wird:

Die Aufgabe „4-3“ wird gestellt. Mit Hilfe von Plättchen löst Tobias die Aufgabe, indem er von 4 Plättchen 3 zur Seite schiebt. Als Lösung gibt Tobias „[a]“ an. Um auszuschließen, dass Tobias als Lösung der Subtraktionsaufgabe die Anzahl der zur Seite geschobenen Plättchen angibt fragt die Lehrkraft nach: „Drei?“. Tobias antwortet: „[a] [a]“. Da Tobias anfangs immer bis zur entsprechenden Ergebniszahl die Zahlwortreihe aufgesagt hat, könnte die Antwort „2“ lauten, vielleicht als Folge der Strategie des Rückwärts-Zählens, wobei Kinder oft beim Minuenden beginnen: 4 -3 -2. Die Nachfrage der Lehrkraft „Zwei?“ beantwortet Tobias mit leicht genervtem Unterton: „[a] [a]“ – er hatte nämlich richtig gerechnet, die „Übersetzung“ seiner Antwort auf die erste Nachfrage lautete nämlich „Nein, eins!“

Damit Tobias seine mathematischen Fähigkeiten auch sprachlich ausdrücken kann, wurden die entsprechenden Zahlzeichen auf seinem Talker eingeübt, um solche Missverständnisse und damit verbundene Frustrationserlebnisse zu vermeiden. Auf dem Talker sind die Zahlzeichen von 0 bis 10 enthalten. Dabei ergab sich aber das Problem, dass Tobias die Zuordnung Menge-Ziffer bereits beherrschen musste, als die anderen, sprachlich nicht eingeschränkten Schüler und Schülerinnen sich noch auf das reine Abzählen und die Anzahlbestimmung beschränken konnten. Das heißt, dass auf Grund seiner motorischen und dadurch sprachlichen Einschränkungen erhöhte Anforderungen an das Kind gestellt werden.


Kinder mit sprachlichen Beeinträchtigungen haben zudem oftmals Probleme Aufgabenstellungen zu verstehen, insbesondere wenn diese durch Fachvokabular, Passivkonstruktionen und verschachtelte Satzbaumuster nicht mehr der Alltagssprache entsprechen. Bei Kindern mit erhöhtem motorischen Unterstützungsbedarf ist zu beachten, dass auf Grund fehlender, mangelnder oder andersartiger Erfahrungen gewisse Begriffe nicht ausgebildet wurden. Schwierigkeiten bereiten dabei Begriffe, deren Bedeutung auf gemachten oder eben gerade nicht gemachten Erfahrungen beruhen. Wichtig ist auch, dass einzelne Begriffe je nach Kontext eine andere Bedeutung haben, was sich Kindern mit eingeschränktem Sprachvermögen kaum erschließt: Der Begriff „Seite“ bezeichnet in einem Buch eine Fläche, im Rechteck die Verbindungsstrecke zwischen zwei benachbarten Eckpunkten, während die Seite im Internet imaginär ist. Besonders schwierig sind Begriffe, die unterschiedliche Dinge bezeichnen aber vom Begriff her ähnlich sind (Quader und Quadrat). Begriffe, die die Kinder erlernt haben, werden nicht immer richtig angewendet. Das Kind nutzt häufig die früheren Begriffe, so bleiben die Formen Quadrat und Rechteck rein sprachlich immer noch Vierecke. „Eine solche Diskrepanz zwischen verbalen-kognitiven und handlungsbezogenem Verhalten lässt daran denken, dass die verhaltenssteuernde Funktion der Sprache […] bei körperbehinderten Kindern divergieren (d.h. auseinandergehen) kann“ (Leyendecker 2005, S. 98).


 Weitere Analysen und Vorschläge zur Gestaltung von Lernumgebungen finden Sie im Modul zum Förderschwerpunkt Sprache und Kommunikation im Teilmodul Unterricht.

 

 

Diese Seite wurde mit Unterstützung von Dr. Ria-Friederike Kirchhof
vom Team des Projekts „Mathe inklusiv mit PIKAS“ erstellt.