Seit jeher gehört es zum Menschsein dazu, nicht vollkommen zu sein (Leyendecker 2006, S. 14). Akute und chronische Krankheiten, körperliche Schäden und körperliche Behinderungen sind seit Beginn der Menschheitsgeschichte zentrale Dispositionen der menschlichen Variabilität und naturgemäßer Bestandteil des Lebens. Trotzdem stoßen Menschen mit körperlichen und motorischen Behinderungen in unserer heutigen Gesellschaft, die auf Leistungsfähigkeit und Mobilität ausgerichtet ist, immer wieder bzw. immer noch auf eine Vielzahl von Barrieren, die verschiedene Ebenen des öffentlichen und des privaten Lebens betreffen. Eine defektorientierte Sichtweise, die im Jahrzehnte verwendeten Begriff des Krüppels körperliche Funktionseinschränkungen betonte und unter der Bezeichnung Krüppelfürsorge auf eine lange, vom karitativen Gedanken der Wohlfahrt geprägte Tradition zurückblickt, wurde erst ab den 1960er Jahren durch eine Sichtweise ersetzt, die sich stärker an den Rechten von Menschen mit Behinderungen orientiert und an Möglichkeiten der beruflichen und sozialen Eingliederung, nicht zuletzt auch in Kindertagesstätte und Schule.
Die aktuelle „Verordnung über sonderpädagogische Förderung, den Hausunterricht und die Schule für Kranke (Ausbildungsordnung sonderpädagogische Förderung - AO-SF)“ des Landes Nordrhein-Westfalen argumentiert bedarfsorientiert und betont das Recht auf wirksame pädagogische Unterstützung. Nach § 3 kann eine Körperhinderung einen Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung begründen und § 6 führt zu „Körperbehinderung (Förderschwerpunkt Körperliche und motorische Entwicklung)“ konkreter aus:
Ein Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung im Förderschwerpunkt Körperliche und motorische Entwicklung besteht, wenn das schulische Lernen dauerhaft und umfänglich beeinträchtigt ist auf Grund erheblicher Funktionsstörungen des Stütz- und Bewegungssystems, Schädigungen von Gehirn, Rückenmark, Muskulatur oder Knochengerüst, Fehlfunktion von Organen oder schwerwiegenden psychischen Belastungen infolge andersartigen Aussehens.
Die Gruppe der Kinder und Jugendlichen mit Unterstützungsbedarf ist extrem inhomogen. Schon die Ursachen, die Erkrankungen und Schädigungen des Stütz- und Bewegungsapparats zugrunde liegen, sind höchst individuell und außerordentlich vielfältig (LINK Hintergrund). Das gilt noch mehr für die variierenden Erscheinungsformen und Schweregrade von Aktivitätseinschränkungen sowie die daraus resultierenden unterschiedlichen Auswirkungen, die in Schule und Unterricht zu berücksichtigen sind. Der in Schulgesetz und Schule verwendete Begriff der Körperbehinderung ist folglich ein Oberbegriff für eine große Heterogenität körperlicher und motorischer Behinderungen.
In diesem Teilmodul wird der Begriff der Motorischen Behinderungen auf den schulischen Kontext übertragen und aus pädagogischer Sicht diskutiert, bevor eine Definition von drei Zielgruppen vorgeschlagen wird, denen pädagogische Unterstützungsangebote zu Teil werden sollten.
In diesem Teilmodul erhalten Sie einen Einblick in statistische Daten zur Anzahl von Schülerinnen und Schülern im Förderschwerpunkt körperliche und motorische Entwicklung sowie über deren Beschulung.
Falls Sie in die Originaldokumente Einsicht nehmen möchten, stehen Ihnen diese im Internet zur Verfügung:
AO-SF - Ministerium für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen (2016). Verordnung über die sonderpädagogische Förderung, den Hausunterricht und die Schule für Kranke (Ausbildungsordnung sonderpädagogische Förderung – AO-SF) vom 29. April 2005, zuletzt geändert durch Verordnung vom 01. Juli 2016. Frechen: Ritterbach. Abgerufen von Ministerium für Schule und Bildung des Landes Nordrhein-Westfalen: https://bass.schul-welt.de/pdf/6225.pdf?20201012184838 [01.06.2021]
Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland (1998). Empfehlungen zum Förderschwerpunkt körperliche und motorische Entwicklung. Abgerufen von Kultusministerkonferenz: http://www.kmk.org/fileadmin/veroeffentlichungen_beschluesse/1998/1998_03_20-Empfehlung-koerperliche-Entwicklung.pdf [01.06.2021]
Diese Seite wurde mit Unterstützung von Dr. Ria-Friederike Kirchhof
vom Team des Projekts „Mathe inklusiv mit PIKAS“ erstellt.